Marie Perriard, Mitinhaberin der Tarterie du Littoral in Neuenburg, kann auf einen reichen Erfahrungsschatz im Bäckerei-Detailhandel zurückblicken. Sie engagiert sich im Verband stark für die Ausbildung und ist für den Verkauf an der Swiss Bakery Trophy in Bulle (FR) verantwortlich. Ein Treffen mit dieser leidenschaftlichen Branchenfrau, für welche die Kundenzufriedenheit oberste Priorität hat.
Marie Perriard, warum haben Sie den Weg des Detailhandels in der Bäckerei eingeschlagen?
Ich stamme eigentlich gar nicht aus diesem Bereich. Ich studierte damals gerade Gymnasiallehrerin, als ich Nicolas kennenlernte. Damit hatte ich nicht nur meinen Ehemann, sondern auch meinen Beruf gefunden. Ich tauchte in diese grosse und spannende Welt ein und wollte nicht mehr herauskommen.
Es ist 20 Jahre her, seit Sie die Tarterie du Littoral mit Ihrem Mann übernommen haben. Welche Konsumveränderungen haben Sie bei Ihren Kundinnen und Kunden festgestellt?
Das deutlichste Beispiel, das ich nennen kann, ist der Verkauf von Kilo-Broten. Während Kundinnen und Kunden diese vor einigen Jahren noch regelmässig und spontan gekauft haben, ist das heute nicht mehr der Fall. Jetzt verkaufen sich mehr kleinere Produkte als grosse Stücke. Die Kunden achten auch viel mehr auf Qualität und Regionalität als früher. Sie sind zudem offener für Innovationen. Allerdings tätigen sie ihre Bestellungen nicht so weit im Voraus und gehen eher woanders hin, wenn wir die Anfrage nicht sofort beantworten können.
Sie nehmen bereits seit mehreren Jahren an der Swiss Bakery Trophy teil. Weshalb haben Sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen und was hat Ihnen der Wettbewerb gebracht?
Mein Ehemann hat damals davon gehört. Wir haben teilgenommen, weil wir Lust hatten, unsere Produkte testen zu lassen. Es ist jedes Mal interessant, weil der Geschmack des Publikums nicht unbedingt derselbe ist wie derjenige der Taxatoren. 2018 erhielten wir eine Goldmedaille für unser Chia-Baguette. Seither hat sich die Literzahl für die Herstellung dieses Baguettes vervierfacht! Wir haben viel mit dieser Medaille geworben. Unsere Kundinnen und Kunden nehmen sie wirklich als Mehrwert wahr.
Sie sind ebenfalls direkt bei der Organisation des Wettbewerbs beteiligt. Welche Rolle haben Sie inne?
Meine Verkaufskolleginnen und ich nehmen die Produkte an, präsentieren sie in der Ausstellung, lassen sie degustieren und geben den Besuchenden Auskunft – das ist das Wesentliche in unserem Beruf. Wir begrüssen auch die Experten und kümmern uns um den Verkauf der Produkte am Ende des Tages zugunsten einer Organisation.
Meiner Meinung nach haben wir wirklich den besten Platz an der Swiss Bakery Trophy. Wir sitzen in der ersten Reihe, sehen alle Produkte, probieren sie und wissen, woher sie kommen. Und vor allem lachen wir viel! Denn dieser Wettbewerb ist auch ein wunderbares menschliches Abenteuer, bei dem Freundschaften entstehen und langfristig Bestand haben.
Es ist ein grosser Aufwand, der uns alle dazu bringt, unser Bestes zu geben. Der Erfahrungsaustausch mit den Menschen aus der Branche ist sehr bereichernd. Auch der Kontakt mit den Besuchenden ist fantastisch. Die Leute sind begeistert und wenn wir das Leuchten in ihren Augen sehen, spüren wir, dass die Anziehungskraft für handwerkliche Produkte echt ist.
Der Detailhandelsberuf für Bäckerei-Confiserie wird immer noch überwiegend von Frauen ausgeübt, gibt es ein Bedürfnis nach Veränderung?
Natürlich wünschen wir uns, dass mehr Männer dabei wären. Dieses Jahr hatten wir viele Jungen im Praktikum, es öffnet sich immer mehr. Ein gemischtes Team zu haben, bringt eine andere Dynamik in den Beruf. Für die Swiss Bakery Trophy würden wir uns übrigens sehr freuen, wenn auch Männer zu uns in den Verkauf kommen würden. Ich bin gespannt, ob sich jemand meldet.
Was ist wichtig, um ein guter Verkäufer oder eine gute Verkäuferin zu sein?
Den Kontakt mit Menschen zu lieben, ist entscheidend. Die Kundinnen und Kunden müssen das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein, wenn sie zu uns kommen. Produktkenntnisse sind ebenfalls von grösster Bedeutung. Wir haben eine Gesundheitspflicht gegenüber unseren Kundinnen und Kunden.
Im Detailhandel begabt zu sein, erfordert auch eine Ausbildung. Eine geschulte Person wird es einer Bäckerei-Confiserie ermöglichen, ihren Umsatz zu steigern. Man muss das gewisse Extra anbieten können, den Blick der Leute verfolgen, um zu sehen, wo dieser landet, etwas vorschlagen, aber nicht drängen. Die Verkaufspädagogik ist sehr wichtig.
Was würden Sie jungen Leuten raten, die eine Ausbildung im Verkauf in Bäckereien-Confiserien beginnen möchten?
Öffnet euch den Menschen und habt Spass! Es ist wirklich ein toller Beruf, in welchem man lernt, sich auszudrücken. Ein weiterer schöner Aspekt ist, dass man die Kundinnen und Kunden in den verschiedenen Phasen ihres Lebens begleitet. Wir haben zum Beispiel viele als Kinder kennengelernt, dann haben wir ihre Hochzeitstorte hergestellt und später die Torte für die Taufe ihrer Kinder. Wir sind wirklich Teil des Alltags der Menschen, wir sind da, um ihnen eine Freude zu bereiten.
Interview: Anaëlle Deschenaux