Seit vierzig Jahren bereiten die Spezialitäten der Familie Salamin Einheimischen und Tourist/innen Freude. Die Walliser Bruderschaft der Chevaliers du bon pain hat der Bäckerei in Grimentz (VS) den Pain d’Or 2025-2026 verliehen. Diese Auszeichnung ist für Chantal und Albert Salamin gleichbedeutend mit einer Krönung. Mit drei ihrer fünf Kinder, die das Unternehmen führen, scheint die Zukunft des Betriebs gesichert und vielversprechend. Doch das war nicht immer so …
Einige Tage vor dem 40-Jahre-Jubiläum seines Geschäfts erhielt Albert Salamin den Pain d’Or. Die Walliser Bruderschaft der Chevaliers du bon pain überreichte ihm die Auszeichnung an der Walliser Messe Foire du Valais im September in Martigny (VS). Dieser Preis wird dem Mitglied verliehen, das in den letzten beiden Brotprüfungen den höchsten Punktedurchschnitt erreicht hat. «Das ist eine Krönung. In sechs Vergaben waren es immer ein wenig dieselben, die zu den Besten gehörten. Es ist nicht einfach, sich an die Spitze zu setzen. Ohne die 100 % der Punkte für unser Roggenbrot hätten wir es nie geschafft!», sagt Salamin gerührt. Als Grand Maître der Walliser Chevaliers stand Salamin an der Spitze der Organisation, als die Auszeichnung damals 2014 ins Leben gerufen wurde.
Auf dem Tresen ausgestellt oder in der Vitrine präsentiert, sorgt die Trophäe des Pain d’Or für Gesprächsstoff.
Der Kirschholz-Pokal, mal auf der Theke, mal im Schaufenster des Tea-Rooms in Grimentz, fällt auf. Er stellt ein «Pfünderli» dar, dessen drei Risse mit Blattgold verziert sind. Diese Neugierde ist für Augustin und Emilien Salamin, die Söhne des Besitzer-Ehepaars, eine gute Gelegenheit, über das Geschäft und das traditionelle Bäckerhandwerk zu sprechen. Augustin kümmert sich um die Bäckerei, Emilien Salamin um die Pâtisserie. Ihre Schwester Martine Aase-Salamin ergänzt das Team im Verkauf.
FÜNFHUNDERT GÄSTE
Um das 40-Jahre-Jubiläum und die Verleihung des Pain d’Or zu feiern, organisierte die Familie am 7. Dezember einen Tag der offenen Tür. Gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden lud sie Kolleg/innen, Lieferanten, Kund/innenen, ehemalige Angestellte und Freunde in ihre Backstube ein. «Wir haben rund 400 Erwachsene und 100 Kinder von 10 bis 18 Uhr empfangen», erzählt Albert Salamin. Nach Kaffee und Gipfeli zur Begrüssung genossen die Gäste einen herzhaften Brunch, gefolgt von Raclette, das den ganzen Nachmittag über serviert wurde. Die Mitarbeitenden formten und backten Roggenbrote. «Die Gäste liebten es, das Handwerk hautnah mitzuerleben», erinnert sich Emilien Salamin. Einige versuchten sich auch im Verzieren von Lebkuchen, die sie mit nach Hause nahmen. Als Geschenk erhielten die Besuchenden ein Roggenbrot, einen Bäcker-Kalender, eine Stofftasche, einen Gutschein für ein Kaffee-Gipfeli sowie eine Kundenkarte.
Albert Salamin war begeistert von diesem Moment des Teilens. Der 60-Jährige, der «super zufrieden» ist, hätte zu Beginn seiner Laufbahn «nie gedacht, dass es so weit kommen würde». «Irgendwann fragte ich mich sogar, ob ich mir jemals eine Pension leisten kann.» Die erste Hälfte in der Unternehmensgeschichte war alles andere als einfach. Erinnerungen …
EIN BERUF, UM IN GRIMENTZ ZU BLEIBEN
Ende der 70er-Jahre entschied sich der Walliser, Bäcker-Konditor zu werden, um sein Heimatdorf nicht verlassen zu müssen. «Mein Ziel war es, einen Beruf zu finden, der es mir ermöglicht, in Grimentz zu bleiben. Es gab hier keine Bäckerei, also sah ich eine Gelegenheit», erinnert er sich. 1979 begann er seine Lehre bei Alcide Epiney in Vissoie (VS), etwas weiter unten im Tal. Jeden Tag fuhr er mit dem Mofa die rund neun Kilometer zwischen den beiden Dörfern. Nach Abschluss seiner Ausbildung verbrachte der junge Bäcker acht Monate in Wil (SG). 1983 kehrte er zurück und begann mit Hilfe eines Architekten, seine zukünftige Backstube zu planen. Ein Jahr nach seinem zwanzigsten Geburtstag wurde mit dem Bau auf einem zuvor gekauften Grundstück gestartet. Am 1. Dezember 1984 konnte die Bäckerei Salamin eröffnet werden. «Mitten im Dorf hatte ich ein kleines Geschäft mit wenigen Quadratmetern, ausgestattet mit einer gebrauchten Käsevitrine, Apfelkisten als Brotkörbe und einer einzigen Neonlampe», lacht er. Produktion, Verkauf – der junge Unter-nehmer kümmerte sich um alles. «Das Telefon stand neben dem Bett, und ich nahm abends Bestellungen entgegen … Es war verrückt, aber mit 21 Jahren ist man zu vielem fähig, sogar zu 15-Stunden-Tagen. Das war normal», erinnert er sich, bevor er relativiert. «Natürlich war das nur während der Saison. Mit 300 Einwohnern das ganze Jahr über gab es ruhige Phasen, ausser zwischen Weihnachten und Ostern sowie in den zwei Sommermonaten (…) Ich stand auf und backte, auch wenn es sich kaum lohnte; nur um der Konkurrenz keinen Platz zu lassen.»
ZU ZWEIT IST ES EINFACHER
1988 heiratete Albert Salamin. Das Ehepaar richtet im Erdgeschoss seines Hauses ein neues Geschäft ein. Seine Frau Chantal Salamin übernimmt den Verkauf. «Zu zweit wird es sofort einfacher», sagt ihr Mann. Zum zehnjährigen Firmenbestehen eröffnen sie eine zweite Filiale in Grimentz und eine dritte in Saint-Luc (VS).
«WIR HABEN STETS STUFE FÜR STUFE ERKLOMMEN, OHNE JE ETWAS ZU ÜBERSTÜRZEN.» Albert Salamin
Kurz nach diesen Investitionen erlebt das Land eine Inflationsphase. «Arbeitsstunden, finanzielle Sorgen … Wir arbeiteten, um die Zinsen zu bezahlen. Die Jahre waren hart und die schlaflosen Nächte zahlreich.» 2003 ist die Krise überstanden. Der Betrieb wird durch eine Filiale in Zinal (VS) sowie 2011 eine weitere in Vissoie (VS) vergrössert. Die Eröffnung in einem Restaurant markiert einen Wendepunkt. «Wir führen das Restaurant nicht selbst, sondern mieten nur eine Verkaufsfläche von den Eigentümern», erklärt Chantal Salamin. Da sich Vissoie zentral im Tal befindet, leidet die Gemeinde weniger unter der Saisonabhängigkeit als die umliegenden Bergorte, weshalb das Geschäft das ganze Jahr über rentabel ist. «Einige Leute vergessen manchmal, dass wir das ganze Jahr über Miete zahlen und nicht nur in der Saison.» Albert Salamin stellt diese Veränderung der Situation auch in Zusammenhang mit dem Eintritt von drei der fünf Kinder in das Unternehmen: «Unsere Tochter Martine ist eine wahre Powerfrau. Sie hat unsere fünf Filialen, darunter zwei Tea-Rooms in Grimentz (Anm. d. Red.: seit 2017) und in Zinal (2024), dynamisiert. Während unserer ganzen Geschäftstätigkeit haben wir stets Stufe für Stufe erklommen, ohne je etwas zu überstürzen, und erst investiert, wenn die Finanzierung gesichert war.»
«WENN WIR ES TUN, DANN RICHTIG»
Seit einigen Jahren übergeben Albert und Chantal Salamin schrittweise die Leitung an ihre Kinder. Chantal springt ein, wenn Verkäuferinnen fehlen, während Albert sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert: «Eine Rolle, die mir liegt!» Im Laufe des Jahres werden sie die Betriebsführung vollständig abgeben.
Augustin, Chantal, Albert, Martine und Emilien Salamin
Ihre Kinder versichern, dass sie die Philosophie des Hauses auch in Zukunft unter dem Motto fortführen wollen: «Wenn wir es tun, dann richtig.» Sie setzen weiterhin auf handwerkliche, traditionelle und regionale Spezialitäten, wie das Roggenbrot mit Baumnüssen oder das Pain Braconnier mit Kartoffelmehl, Speck, Käse und Zwiebeln. Auch in der Patisserie bleibt vieles beim Alten, erklärt Emilien Salamin: «Wir haben versucht, unser Sortiment zu ändern. Doch die Mehrheit unserer Kund/innen kommt während der Ferien zu uns. Das ist für sie bereits eine Umstellung der Gewohnheiten. Sie wünschen deshalb Vertrautes wie unsere Cremeschnitten, Éclairs, die Tourte à l’abricotine oder die Heidelbeertarte vorzufinden.» Was die Zukunftspläne betrifft: Das Unternehmen besitzt nun das an die Backstube angrenzende Chalet. Dieses kann vielleicht für Büros, eine Confiserie oder Personalwohnungen genutzt werden. «Das ist momentan das Einzige, was wir in Betracht ziehen», kommentiert Martine Salamin. «Aber zuerst werden wir, wie immer, unser letztes Investment verdauen – den Tea-Room in Zinal. In drei oder vier Jahren denken wir darüber nach.»
Johann Ruppen
DREIZEHN JAHRE GRAND MAÎTRE DER CHEVALIERS
Albert Salamin, der seit dem 23. Juni 2012 an der Spitze der Walliser Bruderschaft der Chevaliers du bon pain steht, wird von seinem Amt als Grand Maître zurücktreten. Die Nachfolge ist gesichert. «Vor ein paar Jahren hatten wir einige Sorgen. Heute hat sich das geändert. Wir haben gute junge Leute», versichert der Walliser. Der nächste Vorstand wird aus drei Personen bestehen. Stefano Gobbi, artisanaler Bäcker in St-Pierre-de-Clages (VS), soll nach der Versammlung am 27. März der Nachfolger von Albert Salamin werden.
Albert Salamin wurde 2012, anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Walliser Chevaliers, auf den Höhen von Vercorin (VS) zum Grand Maître ernannt.
DIE PREISE NICHT UNTERBIETEN
Unter anderen haben die Chevaliers du bon pain die Aufgabe, das Bäckerei-Handwerk zu fördern. Für den aktuellen Walliser Vorsitzenden Albert Salamin ist es die Pflicht der Branchenprofis, verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. «Früher gab es zehn Bäckereien in Sion, acht in Siders, sechs in Martigny … Sie waren überall. Viele von ihnen sind verschwunden», bedauert er. Das hochwertige Handwerk werde heute oft verramscht, meint er. «Die Unternehmen gehen Konkurs, weil sie keine Gewinne mehr erwirtschaften. Ein Teil der Verbraucher ist bereit, für Qualität zu bezahlen. Wenn sie nicht wollen, muss man sie gehen lassen. Aber man darf die Ware auf keinen Fall verscherbeln.» jr