Selfcheckout verbunden mit Gastfreundschaft und Kundennähe – ein Widerspruch? Mitnichten. «panissimo» machte sich selbst ein Bild vor Ort und befragte die Pioniere in unserer Branche.

Das Selfcheckout vermindert in der Rushhour die Wartezeit für die Kundinnen und Kunden — im Bild der Café-Laden Tribschenstadt von Bachmann in Luzern.
Fotos und Screenshots…»

Der Fortschritt in der digitalen Welt macht auch in den artisanalen Bäckereien-Confiserien nicht halt. Verursachte an der FBK 2007 das relativ neue Angebot für unsere Branche mit EC-Karten zu bezahlen unter den Verbandsmitgliedern noch meist Kopfschütteln und Unverständnis, sind die Kreditkarten heute praktisch nicht mehr wegzudenken. Die Digitalisierung hat in den meisten Betrieben Einzug gehalten und bestimmt den Geschäftsalltag mit.

«Es ist unser Recht, diejenigen Punkte, die für die gewerblichen Bäcker-Confiseure stimmen, zu kopieren. So wie es die Discounter auch mit unserer Branche tun.»

Kein Anstehen

Es ist Mittagszeit im Café-Laden Tribschenstadt von Bachmann in Luzern. Noch niemand denkt zu diesem Zeitpunkt an Covid-19. Es ist Ende Januar. Der Andrang an der Theke ist gross. Die Kundinnen und Kunden wollen rasch ihre Mittagsverpflegung abholen und so wenig Zeit wie möglich mit Anstehen und allem Drumunddran verlieren. Für diese Personen in Eile stehen seit ein paar Monaten zwei Selfcheckout-Geräte im Laden. Das Handling ist einfach: Der Konsument nimmt an der Selbstbedienungstheke den Snack und das Getränk, geht zum Selfcheckout, wählt die Produkte am Touchscreen oder scannt den Barcode ein und bezahlt mit Karte. Fertig ist der Einkauf und der Genuss kann beginnen. Wer etwas aus der Küche haben möchte, kann dies ebenfalls über das Gerät bestellen, bezahlen und die Verpflegung an der Küchentheke ab­holen.

«Die Grossverteiler sind nicht nur schlecht, sie machen gewissen Dinge auch richtig gut», erklärt Sebastian Kiser, CCO der HS-Soft AG, die das Selfscanning in unserer Branche angestossen hat. «Es ist unser Recht, diejenigen Punkte, die für die gewerblichen Bäcker-Confiseure stimmen, zu kopieren. So wie es die Discounter auch mit unserer Branche tun.»

Ideale Ergänzung

«Braucht es den Detailhandel nicht mehr?», will «panissimo» etwas provokativ von Sebastian Kiser wissen. Er verneint dies vehement: «Die persönliche Beratung braucht es immer! Doch während den Spitzenzeiten bleibt praktisch keine Zeit dafür. Fast keiner traut sich, wenn hinter ihm eine Schlange steht, nach zusätzlichen Informa­tionen zu fragen.» Diese Erfahrung macht auch Marlis Korteweg, Filialleiterin der Bäckerei Burkhard in Lyss (BE), wo das Selfscanning vor allem am Morgen zwischen 6 und 8 Uhr, am Mittag und am Abend benutzt wird: «So bleibt uns mehr Zeit für diejenigen Kunden, die eine Beratung wünschen.»

«So bleibt uns mehr Zeit für diejenigen Kunden, die eine Beratung wünschen.»
Der Kunde wolle am Mittag keine Zeit vergeuden, sich rasch und qualitativ hochwertig verpflegen. Ist die Wartezeit zu hoch, drohe die Gefahr, einen gewissen Kundenkreis zu verlieren. Denn: «Der Kunde geht dorthin, wo die Abwicklung schnell und unkompliziert über die Bühne geht. Wenn ich dies nicht bieten kann, habe ich als Bäcker-
Confiseur ein Problem.» Deshalb sei das Selfcheckout eine ideale Ergänzung zu einer kompetent bedienten Verkaufstheke. Dies bestätigt auch Matthias Bachmann, Inhaber der Confiserie Bachmann AG in Luzern: «Selfscanning ist ein Kundenbedürfnis geworden, weil Kundinnen und Kunden immer mehr damit vertraut sind.»

Begeistert und cool

In der Zwischenzeit ist es früher Nachmittag geworden im Café-Verkaufsladen Tribschenstadt von Bachmann in Luzern. Die Rushhour ist vorüber. Die beiden Selfcheckout-Geräte stehen verwaist da. Knapp 50 Kunden haben diese schnellere Variante benutzt. Mat­thias Bachmann und sein Team sind begeistert, «wie gut diese Bezahlart angenommen wird. Die steigenden Verkaufszahlen an diesen Kassen bestätigen die Nachfrage und Akzeptanz».
Auch in der Filiale der Bäckerei Burkhard ist das Feedback positiv. Zwar wird diese zusätzliche Dienstleistung noch nicht rege benutzt, aber bei der Kundschaft sei diese Neuerung sehr gut angekommen: Ein weiteres Plus: Burkhard ist dank dieses innovativen Angebots in der Region ein Thema und gilt als fortschrittlich, und auch die Mitarbeitenden «finden dies cool!».

Die Voraussetzungen

Nicht für jeden Betrieb ist die Installation eines solchen Gerätes empfehlenswert. Gewisse Voraussetzungen müssen gegeben sein: Das Ladenlokal muss sich an einem Standort mit einer starken Frequenz befinden. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Kundinnen und Kunden nur zu Rushhour-Zeiten Gebrauch davon machen. Je länger die Kolonne vor der Verkaufstheke, desto mehr wird der Selfcheckout benutzt. Ist jedoch eine Verkäuferin frei, wird in der Regel darauf verzichtet. Ein Selfcheckout kann aber auch auf dem Lande eine Chance sein: In einem Dorf beispielsweise, wo es sonst keine Bäckerei mehr gäbe und die Personalkosten zu hoch wären, oder an Wochenenden und nach Ladenschluss. «Für mich sind es Zusatzverkäufe sowie eine Dienstleistung an den Kunden, wenn wir am Montag geschlossen haben», unterstreicht Rafael Betschart (Bäckerei-Café Betschart, Bonstetten).

Umsatz verdreifacht

Die Metzgerei Steiner in Bonstetten führt einen Self-Checkout-Gemeinschaftsladen mit mehreren lokalen Gewerbetrieben, darunter auch die Bäckerei-Café Betschart. Die Kundinnen und Kunden können dort so auch nach Ladenschluss ihre Einkäufe tätigen. Wie Sebastian Kiser nach unserer Selfscanning-
Tour gegenüber «panissimo» erklärte, habe die Metzgerei Steiner während den letzten Corona-Monaten in dieser Filiale den Umsatz verdreifachen können.

Darauf gilt es zu achten

Worauf gilt es bei der Einführung des Selfcheckouts zu achten? Die Möbel mit den Kassen, der Scanner und der Zahlungsterminal sollten professionell geplant und realisiert werden, empfiehlt Matthias Bachmann: «Es braucht einen smarten Scanner, einen schnellen Touchscreen und ein Kartenterminal, das zuverlässig ist und auf Contactless-Payment prompt reagiert.» Zudem sei der Standort für diese Kassen wichtig. Marlis Korteweg und ihr Team haben am Anfang die Kundinnen und Kunden ins neue System eingeführt, allerdings «ist alles sehr selbsterklärend!». Besonders wichtig sei allerdings, darauf zu achten, dass auch tatsächlich bezahlt wird. Einen Betrugsfall habe sie allerdings bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlebt.

Weiteres Projekt

Bereits ist HS Soft an der Entwicklung einer weiteren Stufe: Die Bestellung über das Smartphone. Im Moment befindet sich dieses Projekt noch in der Pilotphase. «Es ist unser Job zu erkennen, zu forschen, wohin der digitale Weg in unserer Branche führt», betont Sebastian Kiser gegenüber «panissimo».

Interviews über ihre Erfahrungen mit dem Self-Scanning
Matthias Bachmann, Confiserie Bachmann Luzern
Rafael Betschart, Bäckerei-Café Betschart, Bonstetten
Marlis Korteweg, Bäckerei Burkhard Lyss

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