Nachdem der SBC-Kongress letztes Jahr pandemiebedingt verschoben werden musste, findet er dieses Jahr auf virtueller Ebene statt. Über ein Jahr Krisenmodus. «panissimo» unterhielt sich im Vorfeld des Kongresses mit Verbandspräsident Silvan Hotz und Vizepräsident Jean-François Leuenberger. Ein Rück- und Ausblick sowie eine Standortbestimmung …

Anderthalb Jahre Pandemie – wie geht es Ihnen? Corona hat Sie einerseits in Ihrem eigenen Betrieb sowie auch auf Verbandsebene sicher arg gefordert …

Silvan Hotz: Grundsätzlich geht es mir gut. Doch irgendwie fühle ich eine gewisse Müdigkeit. Die vergangenen Monate haben uns alle und auch mich stark gefordert, einerseits im eigenen Betrieb, andererseits im Verband. All die Massnahmen, die verkündet wurden, mussten sofort oder am besten bereits am Vortag umgesetzt werden. Ich bin froh, wenn diese Krise bald Geschichte ist.

Jean-François Leuenberger: Seit rund einem Monat bin ich zum zweiten Mal geimpft. Ein erlö­sendes Gefühl! Dies verleiht mir Motivation, Kraft und Mut. Es geht mir gleich wie Silvan. Nach über einem Jahr Pandemie fühle ich eine gewisse mentale Müdigkeit – wie die meisten Menschen in der Schweiz. Da war einerseits der grosse Druck im eigenen Betrieb und andererseits die hohe Erwartungshaltung unserer Mitglieder an uns.

Silvan Hotz: Die Pandemie hat uns aber auch gezeigt, dass wir auf Verbandsebene up-to-date sind. Wir kommunizierten auf den verschiedenen Online-Tools. Die 15 Mitglieder des Zentralvorstandes haben sich praktisch ein Jahr nur virtuell getroffen und es funktioniert immer noch optimal. Das ist nicht selbstverständlich und darauf bin ich stolz!

Jean-François Leuenberger: Wenn mir jemand vor 14 Monaten prophezeit hätte, dass ich hier in meinem Büro sitzen werde mit drei Bildschirmen auf dem Schreibtisch und ein Online-Meeting abhalten würde, dann hätte ich gesagt, du bist auf den Kopf gefallen … (lacht) Ich bin zwar froh, konnten wir uns in dieser Zeit online treffen, aber die Meetings verlangen mehr Energie ab als die physischen. Zudem fehlt das Netzwerken, der Austausch. Auf virtueller Ebene läuft es viel speditiver, ruhiger ab. Es ist Zeit, dass wir uns wieder physisch treffen können!

«Ich bin stolz auf unsere gewerbliche Branche! Unsere Mitglieder haben nicht gejammert, sondern gehandelt. Wir waren innovativ!»
Jean-François Leuenberger

Silvan Hotz: Für dich als Romand ist die Teilnahme an den Sitzungen sicher noch anstrengender, da wir auf Schweizerdeutsch sprechen.

Wie haben Sie die letzten Monate als oberste Bäcker-Confiseure erlebt?

Silvan Hotz: Es war ein stetes Auf und Ab. Im Sommer hatte ich das Gefühl, jetzt kommt’s gut. Und dann kam der Dezember, wo der Bundesrat praktisch alles geschlossen hat, mit dem Gipfeli-Gate, wo unsere Mitglieder trotzdem noch ihre Läden geöffnet haben konnten – als einzige neben den Apotheken! Ein grosser Erfolg für unsere Branche! Ein spezielles Gefühl, plötzlich so stark im medialen Mittelpunkt zu stehen.

Jean-François Leuenberger: Nicht alle waren mit unserer Arbeit zufrieden, das ist klar. Aber die grosse Mehrheit hat gemerkt: Der Verband ist nicht nur da, um Mitgliederbeiträge zu kassieren. Wir haben viel Lob aus der gewerblichen Branche erhalten. Das ist der Beweis, dass sie mit unserem Job zufrieden sind. Dies erfüllt mich – bei aller Bescheidenheit – mit einem gewissen Stolz.

Silvan Hotz: Da stimme ich Jean-François zu. Wir denken, wir haben die Erwartungen unserer Mitglieder in der Coronazeit übertroffen und viel Goodwill geschaffen. Wir haben praktisch immer zeitnah und kompetent informiert.

Die Krise war und ist für den SBC eine Chance …

Silvan Hotz: … ja, genau. Bis zum Ausbruch der Pandemie kannten viele Mitglieder die Dienstleistungen des Verbandes nicht, trotz intensiver Kommunikation. Ein Phänomen übrigens, unter dem praktisch alle Verbände gelitten haben …

Jean-François Leuenberger: Zudem haben viele Mitglieder die SBC-Institutionen, die panvica und die SBC-Treuhand, zum ersten Mal mit ihren wertvollen Dienstleistungen richtig wahrgenommen.

«In erster Linie ist die Wertschätzung der Bäckereien gestiegen. Aber auch in der Confiserie können wir einen Imagegewinn feststellen.»
Silvan Hotz

Sie haben die virtuellen Meetings angesprochen, die heute Normalität sind. Doch auch in praktisch allen unseren Betrieben ist die Digitalisierung in der Pandemie vorangetrieben worden …

Jean-François Leuenberger: Ich bin stolz auf unsere gewerblichen Branche! Unsere Mitglieder haben nicht gejammert, sondern gehandelt. Wir waren innovativ!

Silvan Hotz: Vor allem in der ersten Welle waren unsere Mitglieder sehr aktiv. Damals hatte man noch die nötige Energie. Unser Betrieb hat sich für einen Heimlieferservice ebenfalls zusammengeschlossen mit einer Brauerei, die mit Getränken handelt, und mit einem Bauern, der das frische Gemüse ab Hof verkauft hat. Dieses Angebot kam beim zweiten Lockdown leider nicht mehr zustande. Keiner hatte mehr die notwendige Energie, dieses Angebot aufzuziehen. In dieser Krise kam unserer gewerblichen Branche zugute, dass sie sich seit Jahren in einem hart umkämpften Markt behaupten muss …

Jean-François Leuenberger: … wir Bäcker müssen flexibel sein, fast kein Tag gleicht dem andern. Diese Erfahrung war uns in den vergangenen Monaten eine grosse Hilfe.
Unser Gewerbe, unsere Berufe und unsere handwerklichen Produkte haben in der Pandemie an Wertschätzung gewonnen …

Silvan Hotz: Ja, das stimmt. In erster Linie ist die Wertschätzung der Bäckereien gestiegen. Aber auch in der Confiserie können wir einen Imagegewinn feststellen. Die Regionalität, die Qualität, das Handwerks – sie haben an Bedeutung gewonnen.

Jean-François Leuenberger: 14 Tage nach der Verhängung des ersten Lockdowns war in den Geschäften das Mehl ausverkauft. In einer solchen Krise gewinnt das Brot an Bedeutung.

Gab es regionale Unterschiede?

Jean-François Leuenberger: Ja, aber nicht immer am gleichen Ort. Es gab immer Unterschiede. Manchmal zwischen Genf und Schaffhausen, und sechs Monate später war es umgekehrt. Die Probleme, die in Genf existierten, waren auf einmal in Schaffhausen wahrnehmbar.

Silvan Hotz: Der Unterschied lag primär nicht im Regionalen. Da waren beispielsweise die zunehmenden Umsätze auf dem Land und die schwindenden in den Stadtzentren.

Die Pandemie ist für einige unserer Mitglieder auch existenzbedrohend …

Silvan Hotz: Es gibt Betriebe, die arg am Strampeln sind. Es tut mir weh im Herz, wenn ich sehe, dass einige Mitglieder mit dem Rücken zur Wand stehen und weder ein noch aus wissen und zusehen müssen, wie ihr Lebenswerk kaputt geht.

Welches waren die wichtigsten verbandspolitischen Eckpunkte im vergangenen Jahr, positiv wie negativ?

Silvan Hotz: Dass unsere Mitglieder die Läden immer offen halten konnten. Und wir zu den Grundversorgern zählen. Dies hat uns eine gewisse Sicherheit verliehen.

Jean-François Leuenberger: Die Wahl von Silvan Hotz in den Vorstand der Gewerbekammer des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv). Als relativ kleiner Verband können wir damit politisch noch mehr Einfluss nehmen. Ein grosser Erfolg ist sicher auch der Beschluss des Parlaments, dass die Herkunft von Brot- und Backwaren künftig deklariert werden muss. Zum Glück konnten wir eine detaillierte Deklaration, wie sie im Vorfeld von verschiedenen Kreise verlangt worden war, abwenden. Dies hätte einen erheblichen administrativen Zusatzaufwand für uns bedeutet.

Silvan Hotz: Ein wunderbarer Lichtblick war die Eröffnung der Richemont-Fachschule in Yverdon-les-Bains letztes Jahr – und dass wir diese mit physischer Präsenz feiern konnten.

Gab es auch Enttäuschungen?

Silvan Hotz: Sicher! Negativ war, dass wir die Cafés und Restaurants seit über fünf Monate geschlossen haben müssen. Dass die Lieferungen eingebrochen sind und dass all die Verbandsevents wie Delegiertenversammlungen, Lehrlingsausstellungen und Messen – wie die Premiere der ersten Lebensmittelmesse FBKplus in Bern oder die Swiss Baker Trophy – nicht stattfinden konnten.

Jean-François Leuenberger: Besonders weh tat, dass die Swiss Bakery Trophy im Herbst in Bulle nicht durchgeführt werden konnte. Der Event, aber auch die Auszeichnungen sind ein ausgezeichnetes Marketinginstrument für unsere Branche.

Silvan Hotz: Ja, ich freue mich bereits auf die Austragung im Herbst, die hoffentlich wieder stattfinden kann. Schön wäre es, wenn noch mehr Mitglieder aus der Confiserie und aus der Deutschschweiz mitmachen würden! Mein Betrieb ist dabei!

Jean-François Leuenberger: Wichtig ist auch, dass die FBKplus im kommenden Januar durchgeführt werden kann. Es gibt sonst keinen solchen Netzwerkevent in unserer gewerblichen Branche. Wo würden wir uns künftig treffen, wenn es keine FBKplus mehr geben würde? Wir Romands würden nach Lyon reisen, die Tessiner nach Rimini und die Deutschschweizer nach Stuttgart. Wollen wir das?

Silvan Hotz: Ich habe ausserdem sehr bedauert, musste der letzt­jährige Kongress abgesagt werden musste und dass der diesjährige
nur virtuell durchgeführt werden kann. Ebenso mussten wir die Präsidenten- und Sekretärenkonferenz zum dritten Mal verschieben. Mir fehlt das Netzwerk, der direkte Kontakt mit den Kantonal- und Regionalverbänden. Mir fehlen aber auch die Besuche an den Kantonalversammlungen, der Kontakt zur Basis.

Jean-François Leuenberger: … ja, und auch das Seminaire Romand konnte bereits zwei Mal nicht stattfinden.

Was hat Sie im vergangenen Jahr besonders berührt?

Jean-François Leuenberger: Ich habe gestaunt, wie schnell der Mensch sein Verhalten ändern und anpassen kann. Ich denke da an die Begrüssung, an Einladungen usw.

«Die vielen positiven Rückmeldungen von den Kundinnen und Kunden in unseres Verkaufsläden haben mich besonders berührt.»
Silvan Hotz


Silvan Hotz: Die vielen positiven Rückmeldungen von den Kundinnen und Kunden in unseres Verkaufsläden. Sie waren dankbar, konnten sie bei uns einkaufen – und auf Verbandsebene die vielen positiven Reaktionen. Ein Beweis, dass wir in dieser Krise vieles oder praktisch alles richtig gemacht haben. Es gab ein paar Dinge, die wir nicht geschafft haben, aber zu 80 – 90 % konnten wir alles umsetzen.

Jean-François Leuenberger: Hervorheben möchte die grosszügige und nicht selbstverständliche Unterstützung unserer Mitglieder in dieser für alle herausfordernden Pandemie durch Pistor. Wir von der Verbandsspitze wissen diese Geste gegenüber unseren Mitgliedern sehr zu schätzen.

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