Wie werden sich die Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten verändern? Katharina Below, Innovations-Advisor bei Trendone, hat «panissimo» im Interview auf eine spannende Reise in die Food-Trend-Zukunft mitgenommen.

Die SBC-Mitglieder konnten von vier exklusiven Trendreports zu den Szenarien Genuss, Gesundheit, Convenience und Werte profitieren. Erarbeitet wurden diese vom internationalen Beratungsunternehmen Trendone. Katharina Below, Innovations-Advisor bei Trendone, gibt Tipps, zeigt auf, wo die gewerblichen Bäckereien-Confiserien noch Potenzial haben, und blickt in die Zukunft.

Wie sind Sie bei der Trendsuche für die gewerbliche Branche vorgegangen?
Wir haben ein weltweites Scout-Netzwerk, das wir für Projekte akquirieren können. Wir haben die Scouts zu den vier Szenarien der 2016 erschienenen Trendstudie «Die Zukunft der Schweizer Bäckerei-Confiserie-Branche» gebrieft. Die eingereichten Trends haben wir in der Datenbank nach Mustern durchsucht und daraus Cluster bzw. Makro-Trends gebildet. Zudem haben wir die aktuellen Herausforderungen und allgemeine Entwicklungen der Lebensmittelbranche untersucht.

Was empfehlen Sie den Bäcker-Confiseuren, um am Puls der Zeit zu bleiben?

Regelmässiges Trendscouting mit externen oder internen Dienstleistern.

Reguläres Trendspotting. Beobachten, was in der Trendlandschaft passiert.

Den Cross-Industry-Ansatz: über den Tellerrand schauen und die anderen Branchen im Auge behalten.

Start-ups beobachten, denn die sind meist sehr innovativ.

Und zu guter Letzt: Das allgemeine Trendverständnis schärfen …

Was verstehen Sie darunter?
Trends sind keine Moden. Food-Trends sind Indikatoren neuer Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten. Sie sind häufig nur kurzfristig zu beobachten, aber sie haben einen überdauernden Kern, auf dessen Basis immer wieder verwandte Trends entstehen können.

Wir beschreiben und analysieren mit dem Begriff Food-Trends längerfristige Veränderungsbewegungen, in denen sich Lösungsversuche für aktuelle oder erwartete Problemstellungen ankündigen; Veränderungsbewegungen, die von tiefgreifenden, globalen Entwicklungen geprägt sind und damit aktuell vor allem von Covid-19. Ein leidiges Thema, aber diese Effekte werden die Branche langfristig verändern, auch wenn Corona «überstanden» ist.

Wie wird sich der Lebensmittelmarkt aus Ihrer Sicht entwickeln?
Es kommt einiges zusammen: Es wird mehr Qualität gefordert und das Bedürfnis nach regionalen und frischen Lebensmitteln wird weiter steigen.
Was den Bereich Hygiene / Convenience betrifft: Digitale Vertriebsmodelle werden wichtiger. Die Digitalisierung wird generell weiter voranschreiten. Prozesse werden nicht nur 1 : 1 vom Analogen ins Digitale übersetzt, es geht um digitale Transformation: Beispielsweise gänzlich neue Services, die zum Einkauf angeboten werden, wie die Personalisierung von Essen.

«Beim Genuss wird es darum gehen, die Kundinnen und Kunden noch stärker miteinzubeziehen.»

Beim Genuss wird es darum gehen, die Kundinnen und Kunden noch stärker miteinzubeziehen, beispielsweise mit einem Co-Creation-Angebot in der Filiale oder Backangeboten für Zuhause. Dies auch im Sinne von Transparenz und im Hinblick auf unsere Wissensgesellschaft und um Vertrauen zu schaffen. Im Bereich Nachhaltigkeit werden vor allem nachhaltige Verpackungslösungen und Ansätze zum Lebensmittelrecycling wichtiger.

Und die Aussichten für den Verkauf im Schweizer Gewerbe?
Brotimporte stellten zuletzt eine Gefahr für das Schweizer Gewerbe dar. Die regionale Produktion wird aber wieder grössergeschrieben werden und das wird dem Verkauf in die Karten spielen. Werte wie Tradition, Heimat, Herkunft und Handwerk sind eine Chance für die Bäcker-Confiseure.
Was B2B betrifft: Die Gastronomie wird über neue Konzepte nachdenken müssen. Eventuell können die Schweizer Bäcker-Confiseure hier aufspringen und die Gastronomie stärker beliefern. Die persönliche Beratung wird nicht mehr nur Face-to-Face, sondern auch über digitale Kanäle erfolgen.

In welchen Bereichen sehen Sie Potenzial für die gewerblichen Bäckereien-Confiserien?
Qualität statt Quantität – Sorgfältige handwerkliche Verarbeitung statt Vielfalt um jeden Preis. Der Convenience-Report hat ganz gut verdeutlicht, dass der Preis nicht mehr das einzige Argument ist, sondern dass es sich um einen Trend handelt, dessen Verständnis sich mit aktuellen Entwicklungen weiterentwickelt.

Nachhaltige Angebote brauchen aktuell meist noch kreative Ideen, um zu «überzeugen». Das Handwerk kann hier als Chance genutzt werden. Und es können Koopera­tionen mit anderen lokalen Unternehmen eingegangen werden.

«In der persönlichen Beratung – vor allem in der Individualisierung oder Personalisierung von Angeboten – steckt viel Potenzial.»

Die Regionalität, die Herkunft der Lebensmittel wird wichtiger, kurze Vertriebswege werden bevorzugt, wie der Makro-Trend «R-Urban Revolution» im Werte-Report gezeigt hat.
In der persönlichen Beratung – vor allem bei der Individualisierung oder Personalisierung von Angeboten – steckt viel Potenzial. Das ist zwar etwas aufwendig, aber im Gegensatz zu Grossverteilern sind die Abstimmungswege bei gewerblichen Bäckereien-Confiserien kürzer und damit auch die Chance grösser, zu experimentieren und zum Beispiel eine Personalisierungswoche zu lancieren.

Sobald es wieder möglich ist, wird die Nachfrage nach Events gross sein. Es ist eine Chance, um die jungen Zielgruppen anzusprechen. Insbesondere Filialen mit angeschlossenem Café haben den Platz für Veranstaltungen. Denn im Endeffekt geht es bei Brot und Co. viel um das Zusammenkommen.

Im Lockdown haben viele Menschen das «mit den eigenen Händen etwas zu schaffen» für sich entdeckt, beispielsweise selbst Gemüse anzubauen – das ist der Inbegriff von Lebensmittelqualität – und dieses dann zuzubereiten. Meine Kollegin sagte vor Kurzem: «Backen – auch so ein Corona-Klassiker.» Daher könnte das Interesse einen handwerklichen Beruf auszuüben, in den nächsten Jahren ansteigen.

Wo kaufen Sie ihre Bäckerei-Confiserie-Produkte?
Das ist sehr unterschiedlich. Wenn ich Zuhause in Berlin bin, gehe ich bei mir um die Ecke zum lokalen Bäcker (Schäfers, Johns) oder zur Bäckerei im Bioladen (Bio Company, denns). Wenn ich unterwegs bin, gehe ich bei Bäckereiketten (v. a. Kamps in den Bahnhöfen) einkaufen und selten nehme ich mal ein Brötchen im Supermarkt mit – dann kaufe ich eher welche zum Aufbacken. Die Selbstbedienungs-Angebote wie bei BackWerk nehme ich seit Covid-19 aus Hygienegründen gar nicht mehr wahr.

Ein Blick in die Glaskugel: Wie und wo kaufen wir 2030 unser Brot, unsere Schokolade, unsere Patisserie ein?
Der Vertrieb wird über eine Vielfalt von Kanälen laufen. Ich bekomme mein Brot nicht nur durch den Gang zum Bäcker, sondern durch neue Liefermodelle, Backkisten, Abholstationen, autonome Backshops usw.

Wenn ich den Gang zum Bäcker-Confiseur mache, dann weil mich dort ein Zusatznutzen erwartet, Beispiel Concept-Café. Da werde ich nicht mehr nur beraten – die Beratung kriege ich auch digital –, sondern der physische Raum bietet noch weitere Angebote an, beispielsweise eine Yoga-Stunde nach dem Brunch. Die Bäcker-Confiseure sollten nicht mehr siloartig denken, sondern die Kooperationen vor allem mit branchenfremden Unternehmen als Chance sehen.

Die Produktpalette wird ausserdem noch mehr personalisiert, damit Kundinnen und Kunden genau das Produkt erhalten, das ihre Bedürfnisse erfüllt, z. B. bezüglich Allergien oder Unverträglichkeiten, Stoffwechsel oder Vitaminbedarf. Klasse statt Masse.

Trendstudie…»
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Katharina Below hat einen Master in Strategischer Kommunikation und arbeitet seit bald zwei Jahren als Innovations-Advisor bei Trendone. Ihr Herz schlägt für die Nachhaltigkeits- und Lifestyle-Themen.

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