Die Coaches der Schweizer WorldSkills-Kandidatinnen, Ramona Bolliger und Vanessa Schnyder, blicken zufrieden auf die Vorbereitungen. Sie betonen die Bedeutung von individueller Betreuung und mentaler Stärke, um ihre Schützlinge optimal für den internationalen Wettbewerb zu rüsten.

Nur noch elf Mal schlafen und dann starten die Berufsweltmeisterschaften in Lyon (F). Die beiden Kandidatinnen unserer Branche Vera Stocker (Bäckerei-Konditorei) und Nadia Koller (Konditorei-Confiserie) liegt eine strenge Vorbereitungszeit. Eng betreut wurden sie dabei von ihren Coaches Ramona Bolliger (Bäckerei-Konditorei) und Vanessa Schnyder (Konditorei-Confiserie). Beide haben selbst an den WorldSkills teilgenommen und fungieren zusätzlich als Expertinnen am diesjährigen Wettkampf. Für Ramona Bolliger ist es eine Premiere, für Vanessa Schnyder bereits das dritte Mal, jedoch das erste Mal als Chefexpertin.

Sind Sie mit dem Vorbereitungsstand zufrieden?

Ramona Bolliger: Mit dem Vorbereitungsstand bin ich sehr zufrieden. Wir sind voll im Endspurt, Vera macht noch den letzten Feinschliff bei ihren Produkten. Ich freue mich sehr darauf, zu sehen, wie sie ihre Produkte am Wettkampf abliefert!

Vanessa Schnyder: Ich bin sehr zufrieden mit den Vorbereitungen. Nadia ist top motiviert und freut sich auf den Wettkampf. Ausserdem hat sie ein super tolles Coaching-Team, das sie in allen Bereichen unterstützt und auf das sie sich 100% verlassen kann.

Mit Vanessa Schnyder (l.) hat Nadia Koller einen erfahrenen Coach an ihrer Seite. Diese Aufgabe übernimmt die junge Branchenfrau bereits zum dritten Mal.

Wie fühlt es sich an, auf der anderen Seite zu stehen und junge Talente für die WorldSkills vorzubereiten?

RB: Es ist etwas ungewohnt und wird dann sicher am Wettkampf selber schwierig sein, weil ich genau weiss, unter welchem Stress Vera steht und ich das sehr gut nachempfinden kann.

VS: Es ist für mich immer eine riesengrosse Freude, aber auch Ehre, mit so talentierten jungen Konditorinnen-Confiseur/innen zusammenzuarbeiten und sie auf ihrem Weg zum grossen Wettbewerb zu begleiten. Auch beim dritten Mal lerne ich immer noch sehr vieles dazu, denn jede Kandidatin ist anders.

Welche Erfahrungen aus Ihrer eigenen Teilnahme an den WorldSkills können Sie in Ihre Coachingrolle einbringen?

RB: Ich denke, ein Vorteil ist, dass ich das alles selber schon mal durchgemacht habe und Vera genau sagen kann, wie, wo und was bei mir abgelaufen ist. So kann ich ihr eine gewisse Nervosität nehmen. Ausserdem kann sie von Fehlern, die ich damals gemacht habe, meinen Fehlern in der Vorbereitung lernen und diese hoffentlich nicht wiederholen.

VS: Ich weiss, wie es sich anfühlt, eine Teilnehmerin zu sein. Ich denke, ich kann mich gut in ihre Situation hineinversetzen und dementsprechend das Training anpassen.

«Sobald alle Produkte stehen, heisst es üben, üben, üben – bis der ganze wettkampfablauf perfekt sitzt.»

Ramona Bolliger

Wie gestalten Sie das Training, um Ihre Kandidatin bestmöglich auf den Wettbewerb vorzubereiten?

RB: Wir arbeiten mit den Aufgabenstellungen der letzten paar Jahre. Anhand von diesen bearbeiten wir immer eine Produktegruppe nach der anderen.  Vera kreiert mit meiner Hilfe und Unterstützung aus dem Arbeitsumfeld ihre eigenen Produkte dazu. Zudem trainieren wir viele klassische Produkte, wie beispielsweise Baguettes und Croissants. Sobald alle Produkte stehen, heisst es üben, üben, üben –  bis der ganze Wettkampfablauf perfekt sitzt.

VS: Bis drei Monate vor den WorldSkills werden die verschiedenen «Skills» trainiert. Dazu zählen zum Beispiel Marzipan Modellieren, Patisserie und Pralinen Herstellen etc. Aber auch Fähigkeiten wie in Englisch zu kommunizieren und zu lesen zählen dazu. All das geschieht währenddem die Kandidatin normal arbeitet, also mehrheitlich in ihrer Freizeit. Die letzten drei Monate vor dem Wettbewerb wird nur noch trainiert. Denn nun wissen wir, was für Aufgaben gestellt werden. In diese Zeit werden alle Produkte entwickelt, geübt, verbessert, geübt und nochmals geübt.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Vorbereitung?

RB: Es ist schwierig, nicht genau zu wissen, was am Wettkampf drankommt, wir können daher nur anhand von vorherigen Erfahrungen trainieren. Ausserdem musste ich für mich persönlich feststellen, dass es nicht darauf ankommt, ob ich eine Aufgabe einfach finde, sondern dass Vera sich sicher fühlen muss. Ich denke, das ist der schwierigste Part bei der Umstellung von der Wettkämpferin zum Coach.

VS: Zuerst einmal sind drei Monate eine sehr kurze Zeit für die Vorbereitung der vielen verschiedenen Aufgaben. Aus diesem Grund steht Nadia ein sehr kompetentes Coachingteam zur Verfügung, das mit ihr zusammen die Aufgaben entwickelt.

Zudem muss Nadia die Produkte viele Male herstellen, daran feilen und verbessern. Die Challenge dabei ist es, dass sie immer noch Freude am Produkt hat, auch wenn sie es bereits so viele Male geübt hat.

Ramona Bolliger (l.) ist dieses Jahr das erste Mal als Coach an den WorldSkills. Sie wird mit ihrem Schützling Vera Stocker in Lyon mitfiebern.

Wie motivieren Sie Ihre Kandidatin, besonders in stressigen Phasen der Vorbereitung?

RB: Durch gute Kommunikation. Das schöne an unserem Beruf ist, dass man immer ein Endresultat, also ein Produkt, sieht. Ich denke, indem wir die Entwicklungssteps immer wieder besprechen, hilft es ihr, in einer schwierigen Phase zu sehen, wie weit sie gekommen ist und so motiviert zu bleiben. Manchmal hat man auch einfach einen schlechten Tag und das ist auch in Ordnung so. Am nächsten Tag geht es dann schon wieder besser.

VS: Ich musste bis jetzt noch keine Kandidatin motivieren. Meiner Meinung nach muss die intrinsische Motivation in jedem Wettkämpfer und jeder Wettkämpferin vorhanden sein, um erfolgreich an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen.

«Ich will die Kandidatin herausfordern, aber nicht überfordern.»

Vanessa Schnyder

Welche speziellen Techniken oder Strategien setzen Sie ein, um die Fähigkeiten der Kandidatin zu verbessern?

RB: Vera besuchte verschiedene Kurse und vieles lernt sie durch «try and error» während der Entwicklungsphase eines Produktes. Ich gebe ihr immer wieder Überraschungsaufgaben zum Umsetzen, wo sie Flexibilität und Kreativität beweisen muss.

VS: Meine spezielle Technik nennt sich Bauchgefühl. Jeder Mensch ist anders. Jeder Tag ist neu. Ich will die Kandidatin herausfordern, aber nicht überfordern. Meiner Meinung nach soll sie  an der Arbeit Spass haben, denn genau diesen Spass und die Freude sind das, was die Experten und die Zuschauer am Schluss auch in den Endprodukten sehen werden. Das gilt übrigens auch für den normalen Arbeitsalltag.

Welche Ratschläge geben Sie Ihrer Kandidatin, um mit dem Druck und den Erwartungen in einem internationalen Wettbewerb umzugehen?

RB: Vera hat regelmässige Termine mit einem Mentaltrainer.

Für mich ist wichtig, dass ich ihr nicht zusätzlich Druck mache, weil ich weiss, wieviel sie sich selber schon macht. Ich probiere sie so gut wie möglich fachlich vorzubereiten, damit sie sich vor dem Wettkampf so sicher fühlt, dass sie sich über die Erwartungen anderer keine Gedanken mehr machen muss.

VS: Die Kandidaten werden betreut von einem Mentalcoach. Das heisst, bei solchen Themen wenden sie sich an diesen Coach.

Wie unterstützen Sie Ihre Kandidatin dabei, ein Gleichgewicht zwischen Perfektionismus und Effizienz zu finden?

RB: Das geht nur durch häufiges Wiederholen der Arbeitsschritte bis jeder Handgriff im Schlaf sitzt.

VS: Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, auch hier gilt es, jede Situation neu einzuschätzen, auf das Bauchgefühl zu hören und dementsprechend den Fokus auf das Eine oder das Andere lenken. Die Kandidatin soll aber vor allem selber herausfinden, wann sie Zeit hat für Perfektionismus und wann eben einfach nicht.


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Welche Erwartungen haben Sie für Ihre Kandidatin bei den WorldSkills?

RB: Vergangene Wettbewerbe haben gezeigt, dass eine Goldmedaille sehr realistisch ist. Ich weiss jedoch auch, dass die Spitze punktemässig immer sehr nahe zusammenliegt. Für mich ist wichtig, dass Vera ihr volles Potential am Wettkampf abrufen und ihre Produkte perfekt umsetzen kann. Ob das für einen Podestplatz reichen wird, liegt dann in der Hand der Juroren.

VS: Dass Nadia Freude an der Arbeit hat und diese auch zeigen kann am Wettkampf. Dass sie ihre Leistung abrufen kann und am Ende mit ihrer Leistung zufrieden ist.

Wie werden Sie Ihre Kandidatin während des Wettbewerbs begleiten?

RB: Während der Wettkampfzeit darf ich keinen Kontakt mit meiner Kandidatin haben. Wir haben jedoch vor und nach dem Wettbewerb direkt 15 Minuten Zeit, um uns abzusprechen.

VS: An den beiden Wettkampftagen in Lyon dürfen wir während der Wettkampfzeit nicht miteinander kommunizieren. Da muss sich Nadia auf sich und ihre Skills verlassen können. Allerdings können wir vor dem Wettkampf miteinander reden und auch danach noch besprechen, wenn es etwas zu besprechen gibt.

Bereiten Sie sich auch speziell auf diesen Event vor?

RB: Durch SwissSkills werden wir speziell auf die Aufgabe als Juror geschult.

VS: Da ich dieses Jahr Chefexpertin bin, ist alles etwas anders. Die ersten Meetings haben bereits im Januar angefangen und gefühlt bin ich mich schon seit diesem Zeitpunkt mental auf diese Rolle am Vorbereiten. Ich weiss noch nicht genau, was alles auf mich zukommen wird, aber ich freue mich auf die Herausforderung und bin schon sehr gespannt auf den Wettkampf.

Wenn Sie an Ihren Wettkampf zurückdenken. Was ist Ihnen geblieben?

RB: Nur positive Eindrücke. Ich weiss, dass die Vorbereitungszeit sehr streng war und dass auch der Wettkampf selber mir sehr viel abverlangt hat. Wenn ich jedoch zurückblicke, kann ich mich nur an eine sehr emotionale, positive Zeit erinnern.

VS: Mein Team. Auch jetzt, elf Jahre nach meiner Teilnahme an den WorldSkills, stehe ich immer noch in Kontakt mit sehr vielen Teammitgliedern. Das sagt schon sehr viel aus über unseren enormen Teamspirit von damals und auch noch von heute. Das war eine grandiose Zeit, die ich niemals vergessen werde.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

RB: Ich freue mich auf den Austausch mit Berufskollegen aus alles Welt und darauf zu sehen, welche Leistung die anderen Länder erbringen.

VS: Auf das Wiedersehen mit den Experten aus den anderen Ländern. Viele sind mittlerweile gute Freunde von mir, die ich aber leider nur alle ein bis zwei Jahre sehe. Darum ist es immer eine tolle Zeit mit viel Gesprächsstoff, wenn wir uns alle treffen.

Kurz gefragt

Wasser oder Softdrink?

  • RB: Wasser
  • VS: Wasser, am besten heiss und mit Tee

Züpfe oder Roggenbrot?

  • RB: Zopf
  • VS: Roggenbrot

Milchschoggi oder Zartbitterschoggi?

  • RB: Beides
  • VS: Diese Entscheidung muss/will ich nicht treffen

Strandurlaub oder Städtetrip?

  • RB: Strand
  • VS: Wanderurlaub

Actionfilm oder Liebesfilm?

  • RB: Action
  • VS: Liebesfilm

Sommerregen oder Schneefall?

  • RB: Schneefall
  • VS: Beides gleichzeitig

Elina Laich

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