Der 66-jährige Günther Weber ist nicht nur ein leidenschaftlicher und begnadeter Holzofenbäcker auf dem Lorettohof in Zwiefalten (D), sondern auch ein grossartiger Geschichtenerzähler. Soeben ist sein neustes Buch erschienen. «panissimo» wollte ihn näher kennenlernen.

Nach «Gut Brot will Weile haben…» (2019) ist nun sein zweites Werk veröffentlicht worden. Der vielversprechende Titel: «Zopfbrot mit Blautlicht. Zwischen Alb und Afrika – Backgeschichten vom Lorettohof».
Günther Weber ist in der Stadt gross geworden. In jungen Jahren war er viel auf Reisen. Sie führten ihn durch Europa, Afrika und Lateinamerika. In Zentralamerika engagierte er sich in der Solidaritätsbewegung.
Heute lebt er mit seiner Ehefrau und zwei Töchtern auf dem Lorettohof in Zwiefalten /Schwäbische Alb (D).

Ihr Motto ist «gut Brot will Weile haben». Sind Sie von Natur aus ein geduldiger Mensch oder mussten Sie sich in Geduld üben?
Den Dingen ihre Zeit zu geben, ist mir nie schwergefallen. Der Teig braucht seine Ruhe, der Mensch seine Pausen.

Sie haben Ihren Beruf lieben gelernt. Welche Laufbahn wollten Sie ursprünglich einschlagen?
Ich habe lange gesucht und vieles probiert. Journalist hätte mir gepasst … Zum Bauingenieur hatte ich schon das Vorpraktikum ab­geschlossen. Am Ende war das Schwerkraftfeld der heimischen, von klein auf gewohnten Backstube stärker.

Welches ist Ihr Lieblingsprodukt aus der Bäckerei-Confiserie?
Ein ofenwarmes Croissant oder eine Laugenbrezel mit Leberwurst.

Wie hat es Sie auf den Lorettohof «verschlagen»?
Der Ziegenhof Loretto war zuerst da. Die damalige Betreiberin – die Schwester meiner Frau – bot uns eine Kooperation an. Ich war zunächst skeptisch wegen der stadt- und marktfernen Lage. Aber die Besonderheit des Ortes, die Natur ringsum und der freie Blick übers Land haben mich überzeugt.

«Ich wünsche mir etwas mehr Wertschätzung für das, was wir leisten – gesellschaftlich wie auch finanziell.»

Vermissen Sie den «Lärm der Stadt» ab und zu?
Freilich. Ich bin in der Stadt gross geworden. Da spüre ich schon manchmal ein Bedürfnis nach mehr Umtrieb. Aber wir haben jeden Winter eine lange Saisonpause. Und wir haben ein paar spannende Mittelstädte in erreichbarer Nähe: Ravensburg, Tübingen und Kon-stanz. Am Abend ist es immer schön, wieder auf den Berg zurückzukommen.

Sie engagierten sich in der Solidaritätsbewegung?
Wir hatten in unserer Stadt ein Komitee für Zentralamerika gegründet, machten etwa ab 1978 Informationsveranstaltungen, Infostände, Unterschriftenaktionen usw.
Nach dem Triumph der Sandinisten habe ich dann drei Mal jeweils für drei Monate in Nicaragua bei der Kaffee-Ernte «geholfen». Als der Contra-Krieg immer schlimmer wurde, habe ich geholfen, sogenannte Arbeitsbrigaden aus deutschen Freiwilligen zu organisieren, die im Grenzgebiet Notunterkünfte für die Flüchtlinge gebaut haben. Und jetzt leide ich wie ein Hund, wenn ich sehe, was aus dem Triumph geworden ist …

Was wünschen Sie sich für die Bäckerei-Confiserie-Branche?
Etwas mehr Wertschätzung für das, was wir leisten – gesellschaftlich wie auch finanziell. Ich mag mich täuschen, aber ich glaube, in der Schweiz sieht es damit etwas besser aus als in Deutschland.

Welche Eigenschaften hat das «perfekte» Brot für Sie?
Auf jeden Fall keine Angeber-Zutaten wie beispielsweise Sepia, Rotwein oder irgendwelche «Superfoods» vom anderen Ende der Welt. Eine dunkle, kräftige Kruste schätze ich, eine lockere, offene Porung, und es sollte am dritten Tag so gut oder besser schmecken wie am ersten.

«Ich denke, wir sollten alle immer mal wieder darüber nachdenken, was unser Tun in der Welt für Spuren hinterlässt.»

Wo haben die Bäcker-Confiseure Ihrer Meinung nach noch Nachholbedarf?
Ich denke, wir sollten alle immer mal wieder darüber nachdenken, was unser Tun in der Welt für Spuren hinterlässt. Ich denke hier an Coffee to go, beschichtete Einwickelpapiere, die Glyphosat-Landwirtschaft und vieles mehr.

Was möchten Sie dem Berufsnachwuchs mit auf den Weg geben?
Schaut Euch in der Welt um! Seid mutig! Seid besonders!

Buchtipp: Zopfbrot mit Blaulicht. Zwischen Alb und Afrika

Mit viel Witz, aber immer wieder auch mit Texten, die zum Innehalten und Nachdenken einladen, schreibt Günther Weber über Erlebnisse in der Backstube oder auf Reisen. Wobei er sich nicht nur zu Themen äussert, die mit Teig, Brot oder Ziegenkäse – den Produkten seines Hofes in der Nähe von Zwiefalten (D) – zu tun haben. Seine klare Haltung, wenn es um gutes Brot geht, findet sich auch in anderen Lebens­bereichen wieder. Seine Texte werden begleitet von Illustrationen und Skizzen aus der Backstube, die sein jüngerer Bruder mit lebendigem Strich einge­fangen hat.

Autor: Günther Weber, Illustrator: Rainer Weber. 19,5 × 13 cm, 128 Seiten, Fester Einband, Hädecke Verlag, ISBN 978-3-7750-0803-7, CHF 21.90.

Das könnte Sie auch interessieren

«Wir sollten in der Branche mehr zusammenarbeiten»