Welche historische und kulturelle Bedeutung haben Brot und der Bäckerberuf in Frankreich? Wie entwickelt sich das Bäckergewerbe im Land des Baguettes? Die 31-jährige Französin Tatiana Mayer lebt seit fünf Jahren in der Schweiz und weiss uns einiges zu berichten.

Brot hat in Frankreich eine historische und kulturelle Bedeutung. Das Baguette, frisch und knusprig, täglich vom handwerklichen Bäcker hergestellt, ist ein Überbleibsel, das heute nur noch in wenigen Industrieländern bekannt ist, selbst in jenen mit einer bedeutenden Landwirtschaft. In Frankreich förderte die Industrialisierung des 20. Jahrhunderts die Verwendung von Starterhefen und die Standardisierung.

«In Frankreich werden jedes Jahr 10 Milliarden Baguettes verkauft!»

Angesichts der mächtigen Bedrohung durch industrielle Brotfabriken kehrten die Bäcker zur Verwendung von Sauerteig als Triebmittel zurück. Wie mehrere Studien zeigen, ermöglicht die Rückkehr zum Natursauerteig die Entwicklung von Broten mit einem höheren Nährwert und einer längeren Haltbarkeit. Natursauerteige in der Bäckerei bestehen hauptsächlich aus Mehl, Wasser, Milchsäurebakterien (LAB) und Hefestämmen. Die Verwendung von Sauerteig ermöglicht auch eine leichte Säuerung des Teigs, bringt Aromen ein und führt zu einem Brot, das besser schmeckt und von den Menschen besser verdaut werden kann.

In Frankreich haben in den letzten 20 Jahren viele Bäckereien ihre Pforten geschlossen. 32 000 Bäckereien gibt es derzeit in Frankreich, das heisst auf 1800 Einwohner kommt eine Bäckerei. Dennoch ist der Brotkonsum nach wie vor ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Wenn Brot in Frankreich immer noch hauptsächlich von Handwerkersbäckern hergestellt wird, liegt das natürlich daran, dass die Franzosen gutes Brot lieben.
In der Tat werden in Frankreich jedes Jahr 10 Milliarden Baguettes verkauft!

«Bäcker ist einer der am meisten geschätzten Berufe der Franzosen; in der gleichen Rangordnung wie die Berufe des Feuerwehrmanns oder des Arztes.»

Obwohl abnehmend, konsumieren die Franzosen pro Tag und pro Person derzeit etwa 120 Gramm Brot. Bedenken wir zudem, dass Bäcker auch einer der am meisten geschätzten Berufe der Franzosen ist, in der gleichen Rangordnung wie die Berufe des Feuerwehrmanns oder des Arztes. Bäcker
zu sein ist ein edler Beruf und ein Gewinn für die französische Gesellschaft.

In letzter Zeit erlebt Frankreich eine Wiederbelebung seiner Bäckereien mit Innovationen wie Drive-in-Bäckereien, durchgehend 24 /7 geöffnete Bäckereien, Landbäckereien oder Biobäckereien. Aber auch Fernsehsender setzen eine handwerkliche Herstellung von Brot wieder auf die Tagesordnung. Dies ist auch einen Aspekt der Vermittlung dieser schwierigen Aufgabe.

Brot ist also ein kulturelles und historisches Erbe Frankreichs. Und obwohl wir in den letzten Jahren einen Rückgang der handwerklichen Tätigkeit beobachten, bleibt die Nachfrage stark, getragen von den Bräuchen und kulturellen Gewohnheiten der Franzosen nach Qualitätsprodukten. Es gibt eine Wiederbelebung von Brot mit einer grösseren Diversifizierung der Brotsorten als in den 1990er-Jahren.

Das Essen im Allgemeinen hat sich in Frankreich enorm entwickelt, und das Brot ist ein Beispiel dafür, dank der Anstrengungen bei der Fermentation und den Sauerteigen.

Die Französin Tatiana Mayer, 31 Jahre alt, ist 1990 in Paris geboren. Sie lebt seit fünf Jahren in der Schweiz und ist mit Martin Mayer, Geschäftsführer der Bäckerei Vuaillat in Uster (ZH), verheiratet. Nachdem sie die University of Auckland (NZ) mit einem Master 1 in Business /Management abgeschlossen und im Marketing gearbeitet hat, hilft sie jetzt ihrem Mann in seiner Bäckerei, welche auf Sauerteigbrot spezialisiert ist.

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