Bei Ueli der Beck in Schönbühl (BE) absolviert ein Jugendlicher die zweijährige Ausbildung zum Praktiker PrA Bäckerei-Konditorei-Confiserie. Die für alle Beteiligten positive Lösung kam eher zufällig zu Stande.

Kevin Ritter kam durch Vermittlung einer Jugendarbeiterin zu einem Nebenjob als Kistenwäscher in die Bäckerei. Er erledigte seine Arbeit zuverlässig und pflichtbewusst und wurde auch vom Team gut aufgenommen, wie Inhaberin Regula Hasler-Schweingruber erklärt. Doch selbst eine Attestlehre wäre für den von der Invalidenversicherung (IV) unterstützten Jugendlichen schulisch nicht zu bewältigen gewesen. Abklärungen der IV zeigten aber, dass eine Ausbildung als Praktiker PrA möglich sein dürfte. Da es fürs Backstubenteam gegenüber einer EFZ- oder EBA-Lehre Mehraufwand bedeutet und auch menschlich stimmen muss, erkundigten sich Regula Hasler und der Ausbildungsverantwortliche Robert Grogg beim Team nach der Bereitschaft, Kevin Ritter diese Ausbildungschance zu geben. Da man ihn bereits kannte und schätzte, stimmte das Team zu.

Nun ist Kevin Ritter bereits im zweiten Ausbildungsjahr und erledigt viele Aufgaben vor allem in den Bereichen Bäckerei, Traiteur und Kommissionieren der Lieferungen selbstständig und genau. Er arbeitet seinen Möglichkeiten entsprechend langsamer, aber sehr zuverlässig. Er ist stolz aufs Erreichte, fühlt sich wohl im Team und ist gut integriert. Man hat auch Spass zusammen.

Wenn alles gut läuft, ist es denkbar, dass Kevin Ritter nach Ende der Ausbildung und zwei, drei Jahren Praxis die EBA-Ausbildung anschliessen kann.

Individuelle Stärken fördern

Viele Arbeiten wie ausrollen, tourieren, glasieren, zöpfeln, Sandwichs belegen und rüsten führt der PrA- Lernende selbstständig gut aus. Das Aufgabenspektrum ist recht gross. Es gibt aber Grenzen, etwa beim Abwägen. Die Ausbildung als Praktiker/in ist weniger starr geregelt als die EFZ- und EBA-Ausbildungen. Man kann daher auf die individuellen Stärken des Lernenden eingehen und diese speziell fördern.

Die Schule besucht Kevin Ritter in der spezialisierten Institution Steinhölzli Bildungswege in Liebefeld, die Berufskunde zusammen mit Koch-Lernenden.

Der Aufwand lohnt sich

Für den Lernenden ist es ein grosser Vorteil, dass er im Arbeitsmarkt eingebunden ist, aber auch eigenes Geld verdient und damit umgehen lernt. Für den Betrieb ist der zusätzliche Betreuungsaufwand finanziell kein Nachteil, da die IV den Lehrlingslohn übernimmt. Und menschlich ist es für alle bereichernd. «Mehr als eine Person, die mehr Betreuung erfordert, wäre aber nicht machbar», erklärt Regula Hasler.

Das Qualifikationsverfahren findet im Betrieb statt – etappenweise, nicht an einem Tag. Am Ende gibt es einen Berufsattest und ein Arbeitszeugnis, das die erworbenen Fachkompetenzen auflistet.

Praktiker/in PrA Bäckerei-Konditorei-Confiserie

Neben den eidgenössisch anerkannten Berufslehren für Bäcker-Konditor-Confiseur/in EFZ (3 Jahre) und EBA (2 Jahre) gibt es meist in Kooperation und mit Kostengutsprache der IV eine weitere, niederschwelligere Ausbildungsmöglichkeit, die auf individuelle Möglichkeiten Rücksicht nimmt: die zweijährige Praktiker-Ausbildung nach den Richtlinien der Insos, des nationalen Branchenverbands der Institutionen für Menschen mit Behinderung. Vermittelt werden Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen. Das Qualifikationsverfahren findet im Lehrbetrieb statt.

Die Ausbildung für Praktiker/in PrA erfolgt in speziellen Klassen in einem im Vergleich zu einer Berufsschule einfacheren Unterricht von wöchentlich je vier Stunden Allgemeinbildung (Deutsch, Rechnen) und Berufskunde (mehrere Lebensmittelberufe in derselben Klasse) sowie einer Stunde Sport. Die Fachkompetenzen werden primär im Lehrbetrieb vermittelt. Dies kann ein Betrieb des ersten Arbeitsmarkts oder eine Institution des zweiten Arbeitsmarkts sein.

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