Kohlenhydrate sind ungesund? Nicht grundsätzlich, meint Mediziner und Ernährungswissenschaftler David Fäh. Wie bei allem kommt es auch hier auf die Menge und die Qualität an.

Herr und Frau Schweizer essen immer weniger Brot. Ein Grund dafür mag im schlechten Image von Weizenprodukten liegen, die nicht nur Gluten, sondern auch viele Kohlenhydrate enthalten. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dieser Trend nur teilweise nachvollziehbar. Im Ernährungsbereich haben Studien generell mehr oder weniger ausgeprägte Schwächen. Sie können zwar Zusammenhänge, z. B. zwischen dem Anteil an Kohlenhydrate in der Ernährung und dem Sterberisiko, nachweisen.

«Menschen, die die Hälfte bis 60 % ihres Energiebedarfs mit Kohlenhydraten decken, haben das geringste Sterberisiko.»

Die allermeisten Studien können aber nicht beweisen, dass die Zusammenhänge ursächlich, also kausal sind. Niemand würde denken, dass die Tatsache, dass Menschen auf dem Land mehr Kinder haben als Städter, darauf zurückzuführen ist, dass es auf dem Land mehr Störche gibt. Es gibt einen Zusammenhang, aber der ist nicht kausal.

Nicht zu viel, nicht zu wenig

Beobachtungsstudien zeigen, dass Menschen, die die Hälfte bis 60 % ihres Energiebedarfs mit Kohlenhydraten decken, das geringste Sterberisiko haben. Wer einen höheren Anteil damit deckt, hat ein höheres Risiko, aber auch wer unter 50 % liegt. Tatsächlich zeigen andere Studien, dass Low-Carb-Diäten mit einem leicht erhöhten Sterberisiko verbunden sind. Dies obwohl der Verzicht auf Kohlenhydrate die Blutfett- und Zuckerwerte verbessern und das Körpergewicht senken kann.

«Kohlenhydratquellen sollten möglichst wenig verarbeitet sein und viele Nahrungsfasern enthalten.»

Kein Überlebensvorteil

Beobachtungsstudien zeigen auch, dass der Ersatz von Zucker in Süssgetränken durch kalorienfreie Süssstoffe Übergewichtigen zwar helfen kann, im Schnitt rund zwei Kilo an Gewicht zu verlieren. Aber auch hier bringt die Umstellung keinen Überlebensvorteil: Sowohl der Konsum von zuckergesüssten als auch der von künstlich gesüssten Süssgetränken ist mit einem moderat erhöhten Sterberisiko verbunden. Am besten wäre es wohl, uns von einer zu starken Süsse zu entwöhnen und unser Empfinden auf ein tieferes Niveau zu «eichen».

Wenig verarbeitet, viele Nahrungsfasern

Damit sie uns guttun, sollen Kohlenhydratquellen möglichst wenig verarbeitet sein und viele Nahrungsfasern enthalten. Und wer sich viel bewegt, kann sich auch mehr Kohlenhydrate erlauben, weil der Körper die darin enthaltenen Energie gleich verbrennt und nicht speichern muss. Schliesslich ist auch hier alles eine Frage des Masses und des restlichen Lebensstils.

David Fäh ist Mediziner und Ernährungswissenschaftler. Er besitzt einen Master in Public Health. Seit 2015 arbeitet er hauptsächlich als Dozent an der Berner Fachhochschule für den Studiengang Ernährung und Diätetik.

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