Am 8. Juni 2020 ist es so weit: 12 Wochen nach den Schulschliessungen kehrt wieder Leben in die Richemont zurück. Wie haben die Mitarbeitenden persönlich die Corona-Krise erlebt? Was nehmen sie aus dieser Zeit mit in den neuen Alltag? Was macht ihnen Mut für die Zukunft? Wir haben nachgefragt.

Angela Arnold, Mitarbeiterin Konditorei Produktion

Angela Arnold, wie haben Sie die letzten Wochen erlebt, was hat die Corona-Krise bei Ihnen ausgelöst?
«Ich habe tatkräftig im elterlichen Betrieb mitgeholfen, sei es in der Landwirtschaft oder beim Renovieren von Pavillons, Spielplatz streichen, etc. so dass wir zur Eröffnung unseres Familienrestaurants bestens vorbereitet sind.
Dass der Pandemie bedingte Arbeitsausfall so lange andauern würde, damit habe ich nicht gerechnet. Ich konnte mich glücklicherweise zuhause auf unserem Hof immer irgendwie beschäftigen und genoss das Landleben und das schöne Wetter. Ich freue mich aber sehr darauf, wenn ich wieder meiner grossen Leidenschaft als Konditorin im Richemont nachgehen darf.»

Was muss die Welt Ihrer Meinung nach aus der Corona-Krise lernen?
«Ich hoffe, dass bei allen eine grössere Wertschätzung für regionale und saisonale Lebensmittel zurückbleibt und dass auf mehr Nachhaltigkeit bei unseren Ressourcen geachtet wird.
Auch im Umgang mit unseren Mitmenschen wünsche ich mehr Verständnis und Freundlichkeit.»

Wie haben Sie sich in dieser Zeit bei Laune gehalten?
«Nebst der Arbeit zuhause bin ich oft wandern gegangen. Ich habe das schöne Wetter, die Aussicht und Ruhe auf den umliegenden Bergen (Rigi, Wildspitz und Mythen) sehr genossen. Für gute Laune sorgten auch immer die gemeinsamen Essen mit der Familie. Diese Zeit hat das Wir-Gefühl und unseren Zusammenhalt gestärkt.»

Thomas Doetkotte, Fachberater

Thomas Doetkotte, wie haben die Corona-Krise und deren Massnahmen Ihren Alltag verändert?
«Auf einmal Kurzarbeit, Homeoffice, Homeschooling mit meinem Sohn, Haushalt und täglich 4 Mahlzeiten auf den Tisch bringen – was für eine Herausforderung! Der neue Alltag musste zuerst einmal vorbereitet werden: Medien einrichten, Büro organisieren, Vorräte einkaufen und Tagesablauf strukturieren.

Bei uns stellte sich bald die Frage, wie wir zu unserem Brot kommen. Brot selber backen, beim Bäcker kaufen oder schnell beim Grossverteiler mitnehmen? Interessanterweise war Brotbacken zuhause nicht nur bei uns ein Thema, sondern auch im Freundeskreis. So ergab es sich, dass ich nebst den Pflichtaufgaben viel Zeit damit verbrachte, Fragen zu beantworten und zusammen mit den Home-Bäckerinnen und -Bäckern duftende, schmackhafte Brote und Kuchen zu backen.»

Wie haben Sie diese Zeit für sich genutzt?
«Es kam nie Langeweile auf: Ruhigere Zeiten habe ich genutzt, um mich im Internet mit verschiedenen Kursen (z.B. Webinare) weiterzubilden. Bei schönem Wetter habe ich Velotouren durch das Zürcher Unterland unternommen.»

Was, denken Sie, wird sich in Zukunft beruflich ändern?
«Viele Kurse, Weiterbildungsangebote und Beratungen sind verschoben worden. Jetzt gilt es erst einmal abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich der Alltag schnell wiedereinstellt.

Viele Konsumenten haben sich in dieser Zeit Gedanken über ein bewussteres Leben und gesünderes Essen gemacht, was sich durchaus positiv auf unsere Branche auswirken kann. Wir Bäcker sind deshalb gefordert, das anzubieten, was der Kunde sich wünscht. Was? Vielleicht ein duftendes, schmackhaftes und vor allem frisches Brot vom Bäcker!»

Barbara Matti, Mitarbeiterin Bäckerei Produktion

Barbara Matti, wie hat die Corona-Krise Sie persönlich verändert?
«Als der Lockdown endgültig bevorstand, hat dies anfänglich grosse Unsicherheit ausgelöst und viele Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel: Was bedeutet dies für die Richemont und unsere Arbeit? Das Ausmass der Krise war (und ist immer noch) schwer abzuschätzen. In der ersten Zeit kam mir alles sehr unwirklich vor.

Ich bin in der Rezepterarbeitung fürs «Fachblatt» tätig und sehr froh, dass ich meine Arbeit im Richemont in dieser Zeit fortsetzen durfte. Das Arbeiten in den letzten Wochen im fast leeren Richemont war sehr speziell. Normalerweise ist das Haus an sieben Tagen in der Woche voll mit Leben und es läuft immer etwas. Plötzlich ist man fast alleine in den Produktionsräumen, und die Vorbereitungsarbeiten mussten selbst getätigt werden.

Daheim hat sich für uns nicht viel geändert. Ich musste einzig die Betreuung unserer Kinder (4 und 6 Jahre) neu organisieren, da die Grosseltern gezwungenermassen ausfielen. Wir waren noch nicht vom Homeschooling betroffen, und so hatten wir auf einmal viel freie Zeit und leere Terminkalender, was wir mehrheitlich sehr schätzten.»

Wofür vermissen Sie Ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen am meisten?
«Der fachliche Austausch und die Inspiration durch meine Arbeitskolleginnen und -kollegen fehlen mir sehr. Ausserdem finde ich es immer sehr interessant, Einblicke in die verschiedenen laufenden Projekte der Bäckereiabteilung zu erhalten.»

Wer hat Sie in den letzten Wochen am meisten überrascht?
«Meine beiden Söhne, 4 und 6 Jahre alt. Ich habe mir anfänglich grosse Sorgen gemacht, dass sie nicht verstehen würden, warum plötzlich so vieles anders ist. Sie haben aber die ganze Situation mit grossem Verständnis aufgenommen und die Zeit sehr gut gemeistert. Das habe ich nicht erwartet …»

Daniel Kühne, Fachlehrer spanisch-sprechende Kurse

Daniel Kühne, Sie sind als Fachlehrer in Spanisch sprechenden Ländern tätig, welche vom Corona-Virus sehr stark betroffen waren. Wie haben Sie die letzten Wochen erlebt?
«Ende Februar habe ich zusammen mit meinem Kollege Carlos Mariel noch einen Sauerteigkurs in Mexiko durchgeführt. Auf dem Rückflug in die Schweiz fielen mir dann Passagiere mit Mundschutz auf. Zurück im Richemont begannen die Vorbereitungen für den nächsten Auslandeinsatz: ein Wochenkurs auf den Kanarischen Inseln vom 30. März bis 3. April 2020. Das Flugticket war bereits gekauft, doch es gab erste Zweifel, ob der Kurs stattfinden konnte. Und plötzlich ordnete der Bundesrat den Lockdown an.

Anstatt nach Spanien zu reisen, war ich auf einmal mit meiner Frau allein zu Hause. Unsere erwachsenen Kinder kamen uns nicht mehr besuchen und ich hatte plötzlich ganz viel Zeit.

Ich erlebte die letzten 10 Wochen als eine sehr kreative Zeit, ohne Hektik und ohne Termine. Ich habe mir Zeit genommen für all die Sachen, die ich schon lange machen wollte: aufräumen, Reinigungsarbeiten, all die Fachzeitschriften und Fachbücher lesen, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben usw.

Ich habe einen eigenen Sauerteig herangezüchtet und damit verschiedene Brote, Brioches und sogar eine Ostertaube hergestellt. Das Ergebnis war sehr erfreulich! Ich habe mich mit verschiedenen Webinaren weitergebildet und mich mit Spanisch sprechenden Bäckern über die sozialen Medien ausgetauscht.

Dabei wurde mir bewusst, in welch privilegierter Situation wir uns in der Schweiz befinden. Arbeitnehmern und Arbeitgebern wurde unbürokratisch Soforthilfe zugesichert – nicht so bei meinen Berufskollegen in Argentinien, Peru, Mexiko oder Spanien! In diesen Ländern ist keine oder nur sehr begrenzte Hilfe vom Staat zu erwarten. Die Arbeitgeber müssen selbst schauen, wie sie über die Runden kommen: entweder man entlässt die Arbeitnehmer oder man zahlt die Löhne aus dem eigenen Portemonnaie. Unterstützungen durch den Staat sind nicht zu erwarten, da die Länder eh schon sehr stark verschuldet sind. Als Arbeitnehmer ist man auf die Grosszügigkeit der Arbeitgeber angewiesen oder man driftet in die Arbeitslosigkeit …»

Wie war es für Sie zuhause, als Ständig-unterwegs-sein-Typ? Haben Sie sich wohl gefühlt in Ihren eigenen vier Wänden?
«Ja, ich fühle mich sehr wohl in meinen vier Wänden. Wir haben das herrliche Frühlingswetter im eigenen Garten genossen und die Natur beim Erwachen beobachtet. Mit genügend Abstand konnten wir uns frei bewegen – was in den spanischsprechenden Ländern nicht möglich war. Ich erkundete mit meinem Bike die umliegenden Hügel, konnte dabei meinen Kopf auslüften und den Gedanken freien Lauf lassen. Dabei kamen mir einige Ideen, welche ich sicherlich in die nächsten Kurse einfliessen lassen werde … Ich freue mich auf den 8. Juni, auf den Tag, an dem wir wieder starten können.»

Arlette Picard, Fachlehrerin & Team Westschweiz

Arlette Picard, welche Erkenntnisse haben Sie aus der Corona-Zeit gewonnen?
«Ich denke, im Leben gibt es Dinge, die man nicht ändern kann. Man muss einfach akzeptieren, dass es so ist, wie es ist. Die Corona-Krise und ihre Folgen gehören in diese Kategorie. Das Beste daraus machen und positiv denken – das ist meine Lebenseinstellung. Ich schätze es sehr, dass ich gesund bin und an einem wunderschönen Ort wohne. Ich geniesse die Zeit mit der Familie, bin oft draussen in der Natur und tanke Kraft in der Spiritualität und Solidarität.»

Was ist für Sie Freiheit?
«Mit einem Wort ausgedrückt: Frieden.

Eine Voraussetzung für den Frieden ist der Respekt vor Veränderungen und vor der Vielfältigkeit des Lebens. Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will. Ich habe mich durch die Einschränkungen meiner Freiheit nicht beraubt gefühlt. Ich habe die Richtlinien respektiert, um andere zu schützen.»

Was wünschen Sie sich ganz persönlich für die Zeit nach der Corona-Krise?
«Ich hoffe sehr, dass die Menschen einen Schritt zurücktreten und bewusster mit den begrenzten Ressourcen der Erde umgehen. Denn wir haben die Erde von unseren Eltern nicht geerbt, sondern wir haben sie von unseren Kindern nur geliehen … Wir alle haben die Möglichkeit, die Welt zu verändern – ökologisch, ökonomisch und vor allem menschlich! Bereits kleine Gesten können viel bewirken oder andere schützen: Händedesinfektion oder ein Lächeln schenken anstelle einer Umarmung.»

Ueli Niederberger, Fachlehrer

Ueli Niederberger, wie haben Sie die Corona-Krise erlebt?
«Ich habe die ersten Wochen nach dem Lockdown an meinem Wohnort in Weggis als sehr ruhig erlebt. Gruppenreisen und asiatische Touristen blieben aus, die Schifffahrt und die Rigi-Bergbahnen wurden eingestellt, und auch Gäste aus der Region blieben zuhause. Ich war von der Kurzarbeit betroffen und das Dorf war wie in einem Winterschlaf – eine sehr eigenartige Situation. Da wurde mir der Zusammenhang des Tourismus mit der Geschäftstätigkeit in der Zentralschweiz wieder viel bewusster. Seit Anfang Mai kehrt nun wieder etwas Leben ins Dorf zurück.»

Was in Ihrem Alltag ist heute besser als vor der Krise?
«Ich bin vor gut einem Jahr zum ersten Mal Vater geworden. Ich habe viel Zeit mit meinem Sohn verbracht und habe ihn dadurch viel besser kennengelernt. Das war eine sehr wertvolle Erfahrung und wird uns als Familie zukünftig stärken.
Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie, die Arbeiten im und ums Haus, das Leben auf dem Lande und meine Leidenschaft für die Imkerei machten meinen Corona-Alltag vielseitig – Langeweile kam nie auf.»

Was soll nach Corona wieder sein wie vorher?
«Viele fürchten sich vor einer Virus-Infektion und haben Angst hinauszugehen. Ich hoffe sehr, dass sich alles wieder normalisiert und die Menschen sich wieder ohne Furcht begegnen können. Und dass der Desinfektionsmittelverbrauch wieder auf das Niveau von davor sinkt!»

Silvia Schlegel, Fachlehrerin

Silvia Schlegel, was hat Sie in den letzten Wochen am meisten überrascht?
«Es gibt Zeiten, in denen man sich frei entfalten und ausleben kann, und es gibt Zeiten, in denen man sich unterordnen und einschränken muss. Ich bin sehr überrascht, dass die meisten ihren Individualismus zurückstellten zum Wohle aller!
Negativ überrascht hat mich zu sehen, wie die Leute Hamsterkäufe tätigten. Dass so etwas in der Schweiz möglich ist, hat mich richtiggehend schockiert. Entsprechend empfand ich das Einkaufen als sehr unangenehm.»

Hat sich bei Ihnen das nachbarschaftliche Verhältnis verändert?
«Ja, ich habe eine Nachbarin kennengelernt, neben der ich schon seit 10 Jahren wohne! Wir haben uns in dieser Zeit angefreundet und bereits ein gemeinsames Essen in einem Restaurant geplant.»

Was ist für Sie Freiheit?
«Zu wissen, dass ich überall hingehen kann – angstfrei und sorglos! Die Unbeschwertheit, mit der wir noch bis vor Kurzem lebten, gehört für mich auch dazu. Die Pandemie hat gezeigt, wie zerbrechlich unsere Normalität ist und dass eben nichts selbstverständlich ist. Wir sollten deshalb jeden Moment mehr geniessen.»

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