Für Jens Schawaller, Produktionsleiter bei John Baker in Zürich, ist das Bäckerhandwerk alles andere als ein 08 /15-Beruf. Im Gegenteil, denn er bietet unzählige Möglichkeiten.

Wie ich zum Bäckerberuf kam?

Ich war in der Ausbildung zum Restaurantfachmann, merkte aber schnell, dass ich nicht glücklich war. Ein guter Freund von mir war Bäcker, und was er mir erzählte, hörte sich spannend an. So dachte ich, wieso eigentlich nicht.
Meine Lehre habe ich auf der Insel Poel in der Ostsee in der Bäckerei Thomassek, einem kleinen Inselbäcker mit sehr viel Handarbeit, absolviert. Zu Beginn hat mir die Arbeit nicht wirklich gefallen. Ich hatte einen strengen Chef und musste mich erst an die Arbeits­zeiten gewöhnen. Freitags startete meine Arbeitsschicht um 20 Uhr, wochentags um 2 Uhr. Alle zwei Wochen musste ich zudem sonntags arbeiten. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt natürlich lieber Zeit mit meinen Freunden verbracht und wäre am Wochenende um die Häuser gezogen.
Im zweiten Lehrjahr sagte ich mir selbst: Wenn, dann Vollgas. Ab diesem Zeitpunkt fiel es mir leichter, mich für die gesamten Facetten des Berufs zu öffnen.
Am Ende des dritten Lehrjahrs empfand ich es als langweilig, «nur» in der Backstube zu stehen. Deshalb absolvierte ich die Zusatzausbildung zum Konditor-Confiseur. Nach Abschluss der Zusatzausbildung blieb ich noch weiter in meinem Lehrbetrieb. Da die Anzahl der Feriengäste variierte, arbeiteten wir im Winter fünf bis sechs und im Sommer zwölf Stunden.

«Wenn du die Grundtechniken beherrschst, kannst du in der ganzen Welt arbeiten.»
Jens Schawaller

Brot ab Backzettel

Anschliessend ging ich für drei Monate nach Schweden – und kam unter die Räder. Vor allem mit dem Englisch war ich gefordert, anfangs etwas überfordert. Das neue Land und eine andere Arbeitsweise kennenzulernen hingegen, war bereichernd. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt.
Zurück in Deutschland, wurde mir eine Arbeitsstelle in der Schweiz angeboten: eine Wintersaison im Best Western Hotel in Zermatt. Den Sommer verbrachte ich in Sylt und kehrte dann für eine weitere Wintersaison nach Zermatt zurück.
Mit 23 habe ich zum ersten Mal mit «Jimmy» – besser bekannt als Jens Jung – gearbeitet. Ich hatte mich auf eine freie Stelle in der Bäckerei Jung in Zürich beworben, die damals seinem Vater Bernd Jung gehörte. Damals haben wir das Brot noch nach Backzettel abgearbeitet. Als sich Jens Jung mit der Firma John Baker selbstständig machte, folgte ich ihm und wurde Produk­tionsleiter.

Multi-Kulti-Betrieb

Bei John Baker ist uns wichtig, dass die Mitarbeitenden Spass haben. Wir beginnen um 2 Uhr mit der Herstellung. Aber ich persönlich fange erst um 6 Uhr oder 7 Uhr mit der Arbeit an, denn so ist die Produktion viel flexibler. Dafür bin ich dem Team sehr dankbar.
Auch wenn ich heute Produktionsleiter bin, stehe ich fünf oder sechs Tage in der Woche in der Backstube. Mit dem Team zusammenzuarbeiten ist mir wichtig. So kann ich den Puls der Mitarbeitenden fühlen.
Wir sind ein Multi-Kulti-Betrieb. Und es haben bereits Bäcker-Konditoren aus Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich usw. temporär bei uns gearbeitet. Unterdessen wollen viele Köche mit uns zusammenarbeiten – unter anderem Andreas Caminada, der sich bei uns Rat für seine Bäckerei holte. Tanja Grandits, Köchin des Jahres, besuchte uns mit ihrem Team.

Auch unser Auftritt beim Young Star Event in der Richemont Fachschule Luzern («panissimo» berichtete in der Ausgabe vom 27. September darüber) war ein voller Erfolg. Drei Jugendliche absolvierten anschliessend ein paar Schnuppertage bei uns. Leider bilden wir keine Lernenden aus. Unser Brot entspricht nicht dem Standard, und wir konzentrieren uns weniger auf Konditoreiprodukte.
Ein Highlight im letzten Jahr: Im September hielt ich einen Vortrag an der Messe Südback in Stuttgart vor ungefähr 200 Leuten. Das Thema war das Konzept von John Baker. Ein Triumph, auch dass wir uns ausserhalb der Schweiz präsentieren durften.

Kreativität und Innovation

Ich bin der Meinung, dass das klassische Bäckerhandwerk veraltet ist – Kreativität und Innovation sind gefragt. Der Bäckerberuf ist heute wieder besser angesehen, und wir dürfen stolz sein. Klar ist es kein 08/15-Beruf mit einem Achtstundentagespensum. Aber das ist auch gut so. Der Beruf ist sehr interessant und bietet unzählige Möglichkeiten! Du kannst beispielsweise deinen eigenen Sauerteig züchten und jahrelang pflegen und weiterentwickeln. Wenn du in der Ausbildung Vollgas gibst, kannst du in der Zukunft davon profitieren.
Der Beruf bietet dir auch die Möglichkeit für einen Auslandaufenthalt, denn wenn du die Grundtechniken beherrschst, kannst du in der ganzen Welt arbeiten.

Das könnte Sie auch interessieren