Knapp sechs Monate nach seiner Nomination liess der oberste Genfer Chevalier das Bewertungssystem anpassen. Drei Worte fassen das Ziel von Leonhard Bernard zusammen: Qualität, Vergnügen, Promotion.

Leonhard Bernard: « Heute muss das Brot ein nobles, gutes, schönes, schmackhaftes und natürliche Produkt sein.»


Seit letzten Oktober ist Leonhard Bernard an der Spitze der Genfer Chevaliers du bon pain. Eines seiner Hauptziele ist es, die Brotqualität zu erhalten: «Dieses Lebensmittel hat in der Nachkriegszeit zu sehr unter der Industrialisierung gelitten. Heute muss es ein nobles, gutes, schönes, schmackhaftes und natürliches Produkt sein. Und dies müssen wir verteidigen. Handwerkliche Bäcker müssen sich von den Grossverteilern durch Mehrwert und Fachwissen abheben, sich befreien und mit ihrer Tätigkeit selbst Vergnügen bereiten.»

«Eine gute Geschichte erzählen»

Der Grand Maître empfindet es als widersprünglich, wenn sich die Chevaliers von der Masse abheben und ihre Arbeit zugleich mit einem standardisierten Formular bewerten sollen. Seine erste Amtshandlung war deshalb die Überprüfung des Systems der Brotprüfungen. Die Mitglieder werden immer noch anhand von drei Broten bewertet: ein Halb­weiss- und ein Bauernbrot sowie eines nach freier Wahl der Jury. «Das kann ein Zürcher Brot, ein traditionelles Baguette oder sonst etwas sein! Der Mehltyp und vor allem die Beschreibung des Brotes müssen aber eingehalten werden. Und neu muss zum Produkt eine Beschreibung abgegeben werden.» Die Spezialitäten werden nach ihrer Charakteristik und den Verkaufs­argumenten bewertet. «Die Bäcker haben so etwas mehr Arbeit, weil sie sich auch um die Beschreibung der Brote kümmern müssen. Sie müssen eine gute Geschichte erzählen!»
Der Vorstand der Genfer Chevaliers hat am 10. März diese Neuerung genehmigt. Bernard hofft, dass dies Fachleute motiviert, den Chavaliers beizutreten.

Den Nachwuchs überzeugen

Die Genfer Chevaliers haben Mühe Nachwuchs zu finden. «Mit fast 60 Jahren bin ich der Jüngste», betont Bernard. Er sieht verschiedene Gründe dafür: Mitglied werden können nur Chefs und leitende Angestellte. Die Chevaliers versäumten es nicht, auf mögliche Neumitglieder zuzugehen, es sei aber nicht einfach sie zu überzeugen. Der Grand Maître sieht den Grund in einem etwas «altmodischen» Image der Chevaliers: «Ein junger Mensch fragt sich sicherlich, wer diese ‹verkleideten Exzentriker› sind und was sie von ihm wollen. Ernsthafter, und auf die Gefahr hin, mir Feinde zu machen, müssen wir diese ganze Folklore entstauben. (…) Die Lösung habe ich noch nicht. Vielleicht ist sie in den sozialen Medien zu finden.» Das bedeute nicht, auf die Medaillen und Sterne zu verzichten. Diese seien starke Symbole und Zeichen der Verbundenheit. »

Promotion im Geschäft

Die Promotion muss nach Meinung Bernards primär in den Geschäften der Mitglieder geschehen und nicht an den Events der Chevaliers. Öffentliche Auftritte finden dennoch immer wieder statt, insbesondere am Winzerfest in Russin (GE). Bernard ist jedoch überzeugt, dass die Promotion für die Branche über der Vertretung der Chevaliers steht: «Sie erfolgt im Konkurrenzkampf mit den Supermärkten und dem grenzüberschreitenden Handel. Die ganze Branche muss die Politiker für die wirtschaftlichen Belange sensibilisieren, damit Jungunternehmer Brot verkaufen können, ohne unter einer ‹Wettbewerbsverzerrung› zu leiden.»

«Kein Geld – mach was draus»

Nach einer Lehre als Koch und Kaffeekursen entschied sich Leonhard Bernard Bäcker zu werden. Mit 30 Jahren fand er einen kleinen Raum um Brezeln herzustellen, die letzte Spezialität seines früheren Arbeitgebers. An einem Marktstand verkaufte er etwa 100 Stück pro Tag, am Wochenende etwas mehr. Zum Glück hatte seine Frau einen guten Job.
Seine Kunden baten ihn um mehr Artikel. Er wollte im Holzofen backen und baute einen holzbefeuerten Ofen auf einem Militäranhänger auf. Wie der Bäcker erklärt, ging es stets nach demselben Motto: «kein Geld – mach was draus!» Schrittweise zog er in grössere Räume um.
Bernard trat dem Berufsverband und den Chevaliers bei. Die ersten Taxierungen seien eine Katastrophe gewesen, doch sie hätten ihn weitergebracht. 2017 eröffnet er eine Bäckerei mit Café im Genfer Öko-Quartier Jonction. Er hat nun ein Dutzend Mitarbeitende. Doch auf den Markt geht er mit seinen Produkten nach wie vor.

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