Das Unternehmerpaar Regula und Burkard Kreyenbühl-Hirschi nimmt seit Jahren in der Bäckerei-Confiserie-Branche eine Vorreiterrolle ein. Bäckernacht, Emmerproduktion, Kommunikation der Wertschöpfungskette – um nur einige Aktivitäten zu nennen. Grund genug, Kreyenbühl genuss-handwerk.ch in Muri (AG) die Titelgeschichte zu widmen.
«Wir hatten zwei Ziele: Eine Familie und ein eigenes Geschäft», schildert Regula Kreyenbühl-Hirschi die Anfänge der gemeinsamen Genuss-Handwerksreise. Die Familie sei dabei immer an erster Stelle gestanden, «das haben wir pickelhart durchgezogen». Dank ausgezeichneten Mitarbeitenden sowie einem guten und hilfsbereiten Umfeld sei dies möglich gewesen. Trotz Mehrfachbelastung hat sich die ausgebildete Kinderkrankenschwester an der Richemont Fachschule für den Einstieg in den Detailhandel vorbereitet. Seine Ehefrau wisse mit Menschen umzugehen, verfüge über eine hohe Sozial- und Führungskompetenz wie auch das Know-how im Verkauf, unterstreicht Burkard Kreyenbühl.
«Wir schaffen das!»
Burkard Kreyenbühl hat den klassischen Berufsweg eines Bäcker-Konditors eingeschlagen. Anfang der 80er-Jahre absolviert er in Wohlen (AG) seine Lehre. Nach Wanderjahren in der Branche macht er die Berufsprüfung an der Richemont Fachschule. «Vor allem im Sportverein habe ich meine Führungskompetenzen erworben», erklärt Burkard Kreyenbühl. Beim Rüeblilandbeck in Wohlen übernimmt er 1997 die Geschäftsleitung. Der Wunsch nach einem eigenen Betrieb wird in dieser Zeit immer grösser und nach einem Jahr wird auch die Überzeugung fester, «dass wir dies schaffen können».
Gemeinsam mit Proback machen sich Kreyenbühls auf die Suche nach einem geeigneten Betrieb und besichtigen unter anderem Bäckereien im Wallis und in der Ostschweiz. Schliesslich entscheiden sie sich im Jahr 2000 für die Pacht eines Betriebs in Littau (LU). Das erste Kind ist zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Welt. «Die Akzeptanz im Dorf war da und wir fühlten uns wohl», erinnert sich Regula Kreyenbühl.
Rasche Übernahme
Nur zwei Jahre später erfahren die beiden, dass die Inhaber der Bäckerei Stöckli in Muri (AG) auf Nachfolgesuche für den Verkauf des Unternehmens sind. Burkard Kreyenbühl ist in der Region aufgewachsen und kennt den Betrieb, da er dort gearbeitet hatte. Dann geht alles schnell. Der Kauf-vertrag wird unterzeichnet, obwohl die Pacht noch nicht gekündigt ist. Im Worstcase hätten die beiden zwei Bäckereien betreiben müssen. Doch das Glück steht auf ihrer Seite und es kann eine gute Lösung für Littau gefunden werden. Regula und Burkard Kreyenbühl können sich zu 100 % ihrem eigenen Unternehmen widmen. Übrigens kommt just zum Zeitpunkt der Eröffnung das zweite Kind auf die Welt.
Die Finanzierung stellt eine Herausforderung dar. Da Kreyenbühls nur zwei Jahre zuvor in Littau investiert haben, starten die beiden praktisch mit Null Eigenkapital. Burkard Kreyenbühl klappert Banken ab. Schlussendlich wird ihm eine Teilunterstützung gewährt. Zudem engagierten sich sechs Parteien aus dem privaten Umfeld im Unternehmen.
Erfolgreicher Start
Am 3. Januar 2002 wird die Bäckerei Kreyenbühl eröffnet. «Wir haben einen sauberen und gepflegten Betrieb übernommen. Doch der Laden war alt», erinnert sich die Branchenfrau. Der Start ist vielversprechend, so dass bereits nach zwei Jahren der Verkaufsladen renoviert werden kann. Kreyenbühls haben es geschafft: Ein erfolgreiches Geschäft, drei Kinder – das älteste geht bereits zur Schule – und das vierte ist unterwegs. Zudem verfügen sie über ein ausgezeichnetes Netzwerk. So ist Burkard Kreyenbühl unter anderem Präsident des örtlichen Gewerbevereins und engagiert sich in der Berufsbildung.
Harter Schicksalsschlag
Das Hochgefühl währt allerdings nur für kurze Zeit. Im April 2006 trifft die Familie das Schicksal hart: Der zweieinhalbjährige Sohn Basil stirbt unerwartet. «Basil hat uns die Augen geöffnete: Die Familie steht im Vordergrund», hält Regula Kreyenbühl fest.
«Die Familie steht im Vordergrund.»
Regula Kreyenbühl
Trotz der harten Prüfung der Familie und grosser Trauer über den Verlust ihres Kindes muss für den Fortbestand des Unternehmens gesorgt werden. 2007 wird die Backstube erneuert. Es folgen weitere, zukunftsweisende Massnahmen, nachfolgend nur ein paar: 2008 wird Chocolatier Kreyenbühl eingeführt. Alle Schokoladen-Produkte werden seither in Grand-Cru Qualität selbst hergestellt. 2009 wird Sirupier Kreyenbühl lanciert, eine grosse Auswahl an Sirups in Eigenproduktion. 2010 erfolgt die Registrierung der Marke Genuss-Handwerk.
Drei Jahre später kommt der nächste grosse Schritt: Das Bäckerei-Café an der Luzernerstrasse wird eröffnet. Auf eine Küche wird verzichtet. Das Angebot basiert auf den Produkten aus der Bäckerei-Confiserie. Am Mittag wird ein Salatbuffet aufgestellt. Das neue Angebot kommt in der Bevölkerung gut an, ein weiteres Projekt ist erfolgreich umgesetzt worden.
Baustelle vor dem Hauptgeschäft
2017 folgt allerdings der nächste Dämpfer. Vor dem Hauptgeschäft an der Zürcherstrasse ist die Zufahrt während zwei Jahren, wenn überhaupt, nur unter erschwerten Umständen möglich. Die Strasse wird auf einer Länge von einem Kilometer saniert, was Umsatzeinbussen von bis zu 70 % verursacht. Die Pensen der Mitarbeitenden müssen reduziert und es können nicht alle Arbeitsstellen erhalten werden. Zwei Jahre sind nötig, um annähernd wieder die Kundenfrequenz von früher zu erlangen.
Die Strasse wird auf einer Länge von einem Kilometer saniert, was Umsatzeinbussen von bis zu 70 % verursacht.
Die Phase der Ruhe ist jedoch nur von kurzer Dauer. Denn mit dem Aufkommen der Pandemie rumpelt es wieder. Das Café muss coronabedingt geschlossen werden. Anstatt Trübsal zu blasen, werden Kreyenbühls aktiv, bilden mit Metzger, Käser und dem Gemüselieferanten eine Art Einkaufsgenossenschaft. Die Einwohnerinnen und Einwohner in der Region können ihre Bestellung aufgeben und die Mitarbeitenden der Bäckerei liefern die Ware am Samstag aus. «Damit sorgten wir für Beschäftigung. Wir konnten Umsatz – keinen Gewinn – generieren», so Burkard Kreyenbühl.
Auch diese herausfordernde Zeit meistert das Unternehmerpaar. Doch bereits gibt es den nächsten Prüfstein: Aufgrund einer drohenden genetischen Erkrankung müssen sich Burkard Kreyenbühl und seine älteste Tochter einem grossen medizinischen Eingriff unterziehen. Dank seiner positiven Einstellung und seiner ausgezeichneten körperlichen Verfassung, gehe es ihm gut, unterstreicht Regula Kreyenbühl. So gut, dass er am letzten Engadin Skimarathon erfolgreich teilgenommen hat. «Wir hatten ein paar Prüfungen in unserem Leben», sinnieren die beiden, «doch, was dich nicht umbringt, macht dich stärker.»
Mitarbeitende als wichtige Stütze
Eine wichtige Stütze in diesen schwierigen Zeiten seien die Mitarbeitenden gewesen. «Wir haben Hammerleute», schwärmt Regula Kreyenbühl, «das ist extrem viel wert!» Zu diesem Miteinander tragen die beiden Unternehmenden mit ihrer sprühenden Energie und der spürbaren Leidenschaft für die Branche wesentlich bei.
Regelmässig wagen sie neue Wege zu beschreiten. So hat die Genuss-Handwerk als eine der ersten Bäckereien – wenn nicht die erste – 2003 die Bäckernacht eingeführt. Ende September 2024 wurde die Nacht der offenen Tür wieder mit grossem Erfolg abgehalten. Pionierarbeit hat Burkard Kreyenbühl ebenfalls mit dem Urgetreide Emmer geleistet.
Die Emmerproduktion
Vor rund sechs Jahren, als Grossverteiler und Co. beginnen, mit Urdinkel zu werben, überlegte sich Burkard Kreyenbühl, wie er sich mit seinem Sortiment abheben kann. Er wird auf das Urgetreide Emmer aufmerksam. Doch Müller und Bauern winkten ab: Zu gross sei das wirtschaftliche Risiko. «Dann trage ich es selber», sagt sich der Bäckermeister, pachtet 80 Aren Land, engagiert einen Bauern, der das Getreide pflegt. Zum Schälen gibt er dieses einem Müller, in der Backstube wird es in einer kleinen Mühle gemahlen.
Vom Bäcker zum Bauern
Bäcker-Konditor Burkard Kreyenbühl versucht sich als Bauer und baut den Emmer für sein neues Spezialbrot selbst an. Kundinnen und Kunden konnten dem Getreide regelrecht beim Wachsen zusehen.
«Panissimo»-Artikel vom September 2019…»
Das Medienecho nach der Lancierung des Emmerbrotes ist gross, bis über die Landesgrenze hinaus wird darüber berichtet. Heute gibt es auf dem Markt Mehlmischungen mit Urdinkel und Emmer. Die Verarbeitung von Emmer sei heikler als Dinkel, so der Fachmann. Beim Dinkel kriege man noch eine gewisse Luftigkeit, der Emmer hingegen sei viel kompakter. Da brauche es viel Know-how. Emmer Apfel Vollkornbrot, Emmer Dinkel Vollkornbrot, Zipfelbrot Emmer Weizen sind weit über die Gemeinde hinaus bekannt und beliebt.Heute bildet die Regionalität in der Branche einen elementaren Schwerpunkt. Kreyenbühls haben die Regionalität und damit regionale Wertschöpfungskette von Beginn weg befolgt. Auf der Webseite sind in der Rubrik Freiämter Schatzkiste alle Lieferanten aus der Region aufgelistet, ebenso sind sie auf den Tischsets im Café abgebildet. Zudem war der Weg vom Getreideanbau zum Brot in Schulklassen ein Thema.
Auch in der regionalen Nachwuchsförderung hat Burkard Kreyenbühl wertvolle Vorarbeit geleistet. Das Ehepaar Kreyenbühl war mit seinen Massnahmen dem Trend oft einen Schritt voraus, es nimmt in der Branche eine Vorreiterrolle ein. Dabei gelinge es ihm immer wieder, seine Mitarbeitenden für neue Ideen oder Produkte zu begeistern und diese mit ins Boot zu nehmen, heisst es in einem Talk-Podcast, bei dem Burkard Kreyenbühl zu Gast war. «Hallo zäme, ich bin der Burki Kreyenbühl, Bäcker-Konditor und Genusshandwerker aus Leidenschaft. Zusammen mit meiner Frau führe ich eine Bäckerei-Konditorei-Café in Muri. Ich erzähle euch gerne, wie man kreativ Brot backen kann und wie man kreativ mit unseren Mitarbeitenden kreativ unterwegs sein kann. Hört rein, ich nehme Sie gerne mit auf den Weg», beschreibt er sich darin einleitend.
Es gäbe noch viel zu schreiben, beispielsweise über die zahlreichen Auszeichnungen, welche das Genuss-Handwerk erhalten hat. So wurde Burkard Kreyenbühl 2021 der Aargauer Unternehmerpreis überreicht. Oder darüber, was das Ehepaar unter Führung versteht: «Vorleben, das ist das Zentrale. Alles andere ist höchstens Dressur.» Oder über Wohlfühl-Kreyenbühl – Wellness in der Bäckerei, über die brot-freunde muri, das Projekt Genuss & Leidenschaft, über die aktive und kreative Kommunikation, die dritte Verkaufsstelle, die Anfang 2024 übernommen worden ist …
Blick in die Zukunft
Was jetzt allerdings noch fehlt, ist der Blick in die Zukunft. Die Erweiterung der Backstube steht in den Startlöchern. Vorgesehen ist eine Sichtproduktion: «So hat man von der Strasse aus einen schönen Blick auf die Herstellung unserer Produkte», führt Burkard Kreyenbühl aus. Zudem soll es stimmige Personalräume geben, Sitzungszimmer und attraktivere Arbeitsplätze, denn die Platzverhältnisse in der Produktion sind zurzeit ziemlich eng.
Das Unternehmerpaar will mit viel Engagement und Leidenschaft ihren Betrieb vorwärtsbringen, auch wenn die nächste Herausforderung bereits wieder in Sichtweite steht: Aus Kostengründen wurde bei den Strassenbauarbeiten 2017 auf eine SBB-Unterführung sowie weitere Massnahmen verzichtet. Nun wolle man die Arbeiten doch ausführen. Baubeginn soll Ende 2025 sein, mit einer Dauer von anderthalb Jahren. «In dieser Zeit wird die Fahrtrichtung vom Dorfzentrum zu unserem Hauptgeschäft gesperrt sein. Es ist nur noch eine Zufahrt über eine Umleitung rund ums Dorf möglich», erklärt Burkard Kreyenbühl.
«Dies wird uns wieder wirtschaftlich herausfordern! Eigentlich wollen wir uns positiv entwickeln, Geld verdienen, um attraktive Arbeitsplätze schaffen zu können…», meint Burkard Kreyenbühl abschliessend.
Kurz gefragt
Lieblingsprodukt?
BK: Huus-Nussgipfel und Praliné
RK: Aprikosenstreuseltörtli
Lieblingsbeschäftigung allgemein?
BK: Sporttreiben, auf dem Bike und Langlauf-Ski
RK: Möglichst draussen in der Natur unterwegs sein.
Lieblingsbeschäftigung im Beruf?
BK: Das kann ich nicht sagen. Ich bin ein Generalist: Marketing, Führung und in der Backstube «neues Anteigen».
RK: Mir geht es genau gleich. Ich liebe die Abwechslung.
Das gefällt mir an meiner Tätigkeit …
BK: … die Freiheit als Unternehmer. Ich bin stolz, Unternehmer sein zu können. Die Tätigkeit ist abwechslungsreich.
RK: Da gibt’s nichts mehr beizufügen. Bei mir ist’s genau gleich.
Das würde ich anders machen …
RK: Von Anfang an einen Tag frei haben pro Woche. Doch wir schauen nicht zurück. Es ist gut wie es war.
BK: Wenn du oberhalb der Bäckerei wohnst, bist du sieben Tage die Woche im Betrieb. Da braucht es sehr viel Disziplin, um einen freien Tag machen zu können.
Das haben wir besonders gut gemacht …
BK: Dass wir seit Jahren gut miteinander funktionieren. Dass wir uns auch die nötige Zeit nehmen. Wir gehen beispielsweise jährlich drei bis vier Tage zur Geschäfts-Planung in Klausur
Kaffee oder Tee?
RK: am Morgen Kaffee, dann Tee
BK: Kaffee
Mineral mit oder ohne Kohlensäure?
RK: mit
BK: ohne
Butter oder Margarine?
Beide: Anke
Salz und Zucker?
RK: Salz
BK: Zucker
Berge oder Meer?
RK: Grundsätzlich die Berge, aber ab und zu auch das Meer
BK: Berge
Rock/Pop oder Klassik?
Beide: Pop
Wein oder Bier?
Beide: Wein
Krimi oder Romantik?
RK: Krimi
BK: keines, Wirtschaftsthemen.
Claudia Vernocchi