Sollen die französischsprachigen Walliser Bäcker-Confiseure vom dualen Ausbildungssystem zum dualen Mix wechseln? An der Generalversammlung stimmten die anwesenden Mitglieder vergangene Woche nach einer intensiven, fair geführten Diskussion mit nur einer Gegenstimme dem freiwilligen Pilotprojekt zu.

Ab Sommer 2022 werden die Lernenden im französischen Teil des Kantons Wallis das erste Lehrjahr in der Berufsschule (EPCA) in Sion absolvieren und dort neben der Theorie, auch die praktischen Arbeiten erlernen. Ein Praktikum von fünf bis zehn Wochen in einem Lehrbetrieb soll das erste Jahr der Ausbildung ergänzen.

Es handelt sich um ein Pilotprojekt, wie die Walliser Chefin der Dienststelle für Berufsbildung Tanja Fux an der GV versicherte, und zwar auf freiwilliger Basis. Wer seine Lernenden das erste Jahr weiterhin in seinem Lehrbetrieb ausbilden möchte, kann dies wie bis anhin tun. Für die Berufsschule werde eine Lösung gesucht, so Fux.

Die Lernenden im deutschsprachigen Teil des Wallis sind davon nicht betroffen. Sie besuchen wie bisher die Berufsschule in Thun.

Kurzfristige Ankündigung

Im Vorfeld dieser Generalversammlung gab es einigen Aufruhr auf kantonaler wie auch auf nationaler Ebene. Denn diese Änderung wurde sehr kurzfristig angekündigt. So erfuhren die Zuständigen auf nationaler und regionaler Ebene sowie die Ausbildner die Neuerung zum Teil gar als erstes aus den Medien. Zu diesem Zeitpunkt war nicht die Rede von einem Pilotprojekt, ebenso nicht von Freiwilligkeit. Die Verunsicherung war gross. Es fanden diverse Gespräche zwischen den kantonalen Behörden, dem Kantonalverband, den regionalen Zuständigen, SBC-Präsident Silvan Hotz und dem Verantwortlichen für die Aus- und Weiterbildung beim SBC, Peter Signer, statt.

«Speedy Gonzales»

Kantonalpräsident Albert Michellod begrüsste an der Generalversammlung zwar dieses Vorhaben und dass der Kanton einen ansehnlichen Betrag dafür ausgesprochen habe, er kritisierte aber das Vorgehen der Walliser Behörde, die wie «Speedy Gonzales» vorangeschritten seien. Kantonalmitglied Alphonse Pellet votierte für diesen neuen Ausbildungsweg «zum Schutz der Lernenden!» Die Dienstchefin im Departement für Volkswirtschaft und Bildung (DVB) des Kantons Wallis, Tanja Fux, wies auf den mangelnden Nachwuchs in unserer Branche hin. Am Interesse an unseren Berufen fehle es nicht. Gerade in dieser virtuellen Welt könne die Arbeit in der Bäckerei ein willkommener Wechsel darstellen.

Dieses Konzept wird bei den Köchen sowie in der Hotellerie und im Service erfolgreich umgesetzt.

(von links): SBC-Ausbildungsverantwortlicher Peter Signer, SBC-Direktor Silvan Hotz, der zurückgetretene Bildungsverantwortliche für den Kanton Wallis, Amadeo Arnold, und der Walliser Kantonalpräsident Albert Michellod.

Erprobtes Konzept

Catherine Mabillard, Verantwortliche der Abteilung Lebensmittel an der EPCA, sprach von einer «Erosion in den Berufen der Lebensmittelbranche». Bereits werde dieses Konzept bei den Köchen sowie in der Hotellerie und im Service erfolgreich umgesetzt. Die steigenden Zahlen bei einem Teil dieser Lernenden würden zuversichtlich stimmen. Der Walliser Fachlehrer Philippe Delalay hob unter anderem die Möglichkeit hervor, realitätsnahe Situationen simulieren zu können oder für alle Lernenden Lektionen mit einem Zuckerbläser zu organisieren. «Das ist eine Chance für die Jungen und für die Bäckerei!»

«Es kann funktionieren»

SBC-Präsident Silvan Hotz betonte die Wichtigkeit, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt. Der Zentralvorstand des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes habe an seiner Sitzung im März dem Vorhaben eine Absage erteilt, da er viel zu wenig Informationen darüber verfügte. «Wir waren in dieses Projekt nicht involviert und haben erst im Februar davon erfahren.» Grundsätzlich befürworte er innovative Projekte, «es kann funktionieren». Es brauche aber dringend den Einbezug des schweizerischen Verbandes. Dieses Projekt starte in rund vier Monaten, da bleibe nicht mehr viel Zeit, um die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen.

Offene Punkte

Nicolas Taillens aus Crans Montana, Vizepräsident des welschen Regionalverbandes und Direktbetroffener, kritisierte mit klaren Worten die Kommunikation der Walliser Behörden. Er hatte vom Projekt erst aus den Medien erfahren und da sei nicht die Rede von einem Pilot gewesen. Er wies auf kritische Punkte im Vorhaben hin, u.a. die Tatsache, dass nur eine Person bis zu 20 Lernende betreuen werde, während in seinem Betrieb für jeden ein Mitarbeitender zuständig sei. Auch müssten Fragen geklärt werden wie die Versicherung, den Lohn und den Wohnort der Lernenden. Was geschieht mit denjenigen, die bereits einen Lehrvertrag unterzeichnet haben und für die eine Unterkunft organisiert worden ist?

Keine Schönwetterwelt präsentieren

Albert Salamin schlug vor, die Lehre auf vier Jahre zu erweitern, so könnte verhindert werden, dass bereits 15-Jährige in einem Betrieb mit der Ausbildung beginnen würden. Dieser Vorschlag sei nicht durchsetzbar, antwortete Tanja Fux. An der Versammlung wurde auch die Befürchtung geäussert, dass den Interessierten eine Schönwetterwelt präsentiert werden könnte. In der Bäckerei werde nun mal grösstenteils nachts gearbeitet. Diese Tatsache könne nicht geleugnet werden.

«Es macht Sinn, ein solches zukunftsträchtiges Projekt im Grossen zu führen und nicht ein Patchwork zusammenzusetzen.»
Peter Signer, SBC-Ausbildungschef

Kein kantonales Flickwerk

SBC-Ausbildungschef Peter Signer blickte in die Zukunft, denn in fünf bis zehn Jahren werde es bis zu 80 % weniger Fachlehrer haben, da diese nach und nach in Pension gehen würden. Dies werde zwingend Veränderungen mit sich bringen. Er warnte vor einem Flickwerk mit 26 verschiedenen Ausbildungsmodellen. Eine Lösung könnte mit nur noch drei Schulungsorten sein, je einer im Westen, im Osten und in der Mitte. Signer hat den Kantonalpräsidenten den Auftrag gegeben, sich über die Berufe in der Bäckerei-Confiserie 2030+ Gedanken zu machen. «Es macht Sinn, ein solches zukunftsträchtiges Projekt im Grossen zu führen und nicht ein Patchwork zusammenzusetzen.»

Freiwilligkeit

Nachdem Tanja Fux den Mitgliedern auf Insistieren von Nicolas Taillens versichert hatte, dass es sich definitiv um ein Pilotprojekt handelt, dass die Teilnahme der ausbildenden Betriebe freiwillig sei und dass man eine annehmbare Lösung für diejenigen finden werde, welche die Lernenden auch im ersten Lehrjahr in ihrem Betrieb behalten möchten, gaben die Anwesenden mit einer Gegenstimme grünes Licht für dieses Vorhaben.

Nummer eins im Verband

Kantonalpräsident Albert Michellod zeigte sich hocherfreut: «Nun sind wir Nummer eins im Verband!» Und er meinte: «Wenn wir jetzt nichts ändern, wann werden wir etwas ändern?!»

Eric Emery, Genfer Kantonalpräsident, der als Gast an der GV teilnahm, gratulierte seinen Walliser Kollegen zu diesem Entscheid und zur Diskussion, die mit viel Herz und Emotionen ausgetragen worden sei.

Rücktritt von Amadeo Arnold

Amadeo Arnold gab an der GV bekannt, dass er als Bildungsverantwortlicher aus dem Kantonalkomitee (Vorstand) austrete. Eine Nachfolge ich noch nicht bestimmt. Um das Pilotprojekt werde sich Augustin Salamin kümmern, informierte Albert Michellod.

Neue Ehrenmitglieder

Die Generalversammlung hat acht neue Ehrenmitglieder ernannt: Urs Arnold, Jean-Bernard Fellay, Rainer Imwinkelried, Sepp Mangisch, Gérard Michellod, Alphonse Pellet, Bernard Pignat, Jean-Joseph Rard.

Anstelle des in Pension gegangenen Sekretärs des Kantonalverbandes, Pierre-Yves Actis, sass dieses Jahr sein Nachfolger Pierre-Alain Vianin Actis wurde für sein langjähriges Engagement geehrt.

Präsident Albert Michellod teilte der Versammlung mit, dass er im 2024 sein Mandat ablegen werde und er erwartet, «dass junge Mitglieder in unseren Vorstand eintreten werden!».

Der alte und der neue Sekretär des Walliser Kantonalverbandes: , Pierre-Yves Actis und Pierre-Alain Vianin.

Confrérie will mehr Junge

Albert Salamin, Grand Maître der Walliser Confrérie, hielt an der Generalversammlung einen kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr, in welchem im Herbst drei verschiedene Brote geprüft worden sind: Das Walliser Roggenbrot, das Weissbrot und die Baguette. Neu werden die Brotprüfungen nicht mehr alle zwei Jahre abgehalten, sondern jährlich. Mit dieser Änderung wollen die Walliser Chevaliers den Jungunternehmern in unserer Branche die Hürde für einen Beitritt in der Vereinigung verringern. Statt bisher sechs Jahre, wird es nur noch drei Jahre dauern, bis ein Inhaber einer Bäckerei-Confiserie der Confrérie beitreten kann.

Der nächste Chapitre der Walliser Confrérie, wo die Sterne der Chevaliers verliehen werden und der Pain d’or geehrt wird, findet am 24. September statt.

Zum Schluss rief Albert Salamin seine Kollegen auf, aus ihren Backstuben rauszugehen und sich den Konsumentinnen und Konsumenten zu zeigen, beispielsweise mit einem Stand an Events, ganz nach dem Motto: «Wenn du nicht zum Bäcker gehst, kommt der Bäcker zu dir!»

An der Generalversammlung war ebenfalls der Walliser Grossratspräsident Manfred Schmid zu Gast. «Es scheint, dass alle Berufe, die etwas Handfestes produzieren, nicht beliebt sind», stellte der diplomierte Baumeister fest und rief die Bäcker-Confiseure auf: «Hört nie auf, für euren Nachwuchs zu werben!»

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