In die Gelaterias ist endlich wieder Leben eingekehrt – Gross und Klein erfreuen sich an der süssen Erfrischung. «panissimo» unterhielt sich mit vier artisanalen Gelatieri über Qualität, Trends und das Handwerk.

Vollmundiges Aroma und optimimaler Schmelzpunkt

Thomas Enzen, Betreiber der Ge­lateria S-Enzen auf der Berner Münsterplattform, setzt auf saisonale Früchte aus der Region und einen hohen Fruchtanteil – fast 50 % –, damit der Geschmack von den Früchten und nicht vom Zucker kommt. Auch die Basen rührt er selbst an.

«Ich habe jeweils vier bis sechs verschiedene Geschmackssorten im Sortiment, die je nach Monat variieren.» Seine Klassiker: Schokoladen-Sorbet, Tiramisu, grie­chische Joghurtglacé und Süssmost-Glacé. «Die veganen Glacés, also Sorbets, werden sehr viel nachgefragt.» Vanille ist Thomas Enzen schlicht zu teuer. Vielen sei nicht bewusst, dass Vanille kein Schweizer Produkt ist, wie Schokolade auch nicht. Ausserdem «ist es viel schöner, wenn sich die Leute auf eine spezielle Sorte freuen und mich fragen, wann es wieder Aprikosen- oder Erdbeer-Glacé gibt.»

«Was macht eine qualitativ hochwertige Glacé aus?» wollte «panissimo» von Thomas Enzen wissen. «Der Eigengeschmack der Früchte sollte durchdringen, die cremige Konsistenz, und es dürfen sich keine Kristalle bilden. Ausserdem ein vollmundiges Aroma und der optimale Schmelzpunkt», erklärt Enzen. «Der Tiefkühlpunkt von klassischen italienischen Gelati liegt bei zirka -13 Grad. Wenn die Glacé industriell verkauft wird, liegt der Tiefkühlpunkt bei -18 Grad und tiefer. Je wärmer das Produkt, desto stärker der Geschmack», führt er aus.

Die Gelateria die Berna habe den artisanalen Gelatiere den Weg geebnet. «Der Beruf, das Handwerk hat durch sie wieder an Ansehen und an Wert gewonnen», freut sich der Berner Gastronom. «Es ist nicht die Vielfalt, sondern die Qualität des einzelnen Produktes, die zählt», unterstreicht Thomas Enzen abschliessend.

www.s-enzen.ch

Kleine Auswahl, individuelle Rezeptur

Ein Geheimrezept hat Tine Giacobbo, Inhaberin der Zentrale für Gutes in Zürich, nicht. «Vielleicht, dass wir nur sechs Sorten anbieten», lautet ihre Antwort. Sie ergänzt: «Damit habe ich die Möglichkeit, jeden Tag zu wechseln. Das macht mir grosse Freude.» Zur Obstsaison zieht sie los, um frische Früchte von regionalen Bauernhöfen einzukaufen.

«Bei meinem langjährigen Lieferanten kann ich spannende Produkte in kleinen Mengen beziehen. Letzten Sommer brachte er mir beispielsweise wunderbare seltene Honigtrüffel aus dem Donaudelta.»

Was verstehen Sie unter hochwertiger Glacé? «Hochwertig ist für mich, jeden Tag die Freiheit zu haben, reife Früchte verarbeiten zu können», erklärt die Zürcherin. Sie rezeptiert ihre Glacé- und Sorbet-Sorten individuell. «Unsere Schokoladen-Glacé ändert jeden Tag. Auch hier suche ich laufend nach neuen, spannenden Produkten», so Tine Giacobbo.

«Die Saison startet mit Rhabarber, im Spätherbst kommen die Quitten, Trauben oder wunderbare Honige aus der Stadt Zürich oder verschiedenen Regionen und im Sommer bringen Nachbarn die Früchte aus ihren Gärten», schwärmt Tine Giacobbo.

www.zentrale.ch

Weniger Zucker, mehr Nachhaltigkeit


«Top Rohstoffe, deren intensiver Eigengeschmack, eine cremige und geschmeidige Konsistenz und nicht zu süss», lautet die Antwort von Florian Stähli, Geschäftsführer und Co-Gründer der Kalte Lust AG in Olten, auf die Frage, was qualitativ hochwertige Glacé ausmacht.

«Wir verwenden keine Zusatzstoffe, aber fair und nachhaltig produzierte Lebensmittel. Als Koch bin ich der Überzeugung, dass ein Produkt mit Liebe hergestellt werden muss – das macht unsere Glacé aus», unterstreicht Stähli. Die kalte Erfrischung bestehe aus 63 % Bio-Jersey-Milch. Diese und alle weiteren Rohstoffe stammen von Bauern aus der Region. Bei den ausländischen Zutaten werde auf bestmögliche Qualität sowie faire und nachhaltige Produktion gesetzt. «Welche Trends beobachten Sie?» wollte «panissimo von Florian Stähli wissen. «Intensivere Geschmäcker werden bevorzugt, es darf auch bitterer sein. Der Trend geht weg von der Milchschokolade und die vegane Glacé ist sehr gefragt. Auch weniger Zucker und mehr Nachhaltigkeit werden bevorzugt», antwortet der Gastronom.

Die Favoriten der Kundinnen und Kunden: Kaffeeglacé oder die Klassiker Vanille, Erdbeere und Schokolade. Auch die Kombinationen Erdnuss-Karamell, Sauerkirsche-Schokolade oder Joghurt-Heidelbeere würden sehr gut laufen. «Wir wollen unserer Kundschaft immer neue, spannende Kreationen bieten. Dieses Jahr haben wir eine Kooperation mit dem Patissier des Jahres Christoph Löffel, der zwei Glacé-Sorten für uns kreiert. So können unsere Kundinnen und Kunden eine «Speise» von einem bekannten Patissier probieren, ohne dafür in einem Sternerestaurant einen Tageslohn zu opfern», erklärt Florian Stähli.

www.kaltelust.com

Grosse Auswahl an Geschmacksrichtungen – auch laktosefrei

«Mein Ziel ist es, jeden Geschmack in bester Qualität zu produzieren. Die Glacé muss leicht und bekömmlich sein. Ich biete auch eine grosse Auswahl an laktosefreien Sorten an», sagt Giovanni Schiavano, Inhaber der Gelateria Doppiogusto in Pregassona und Vezia (TI).

Im Jahr 2012 eröffnete er seine eigene Gelateria in Pregassona und 2015 in Vezia. Hochwertige Zutaten sind das Markenzeichen seines Gelato. Er verwendet Pistazien aus Bronte, Haselnüsse aus dem Piemont, einen Bourbon aus Madagaskar und den Cookie aus den USA.

Das schönste Kompliment, auf das er wirklich stolz ist: Wenn Kundinnen und Kunden einen Nachschlag verlangen; nicht einen zweiten Becher, sondern gleich zwei grosse Waffeln, die etwa einem halben Kilo Glacé entsprechen! Neben den klassischen Aromen und saisonalen Früchten bietet Giovanni Schiavano jeden Sommer viele neue Geschmacksrichtungen an. Die Neuheiten in diesem Jahr sind: Mon Chéry, Limango und Ingwer, Pocket Coffee, Ruby-Schokolade, Don Vito (dunkle Vanille und Himbeere), Nutella-Biscuit, Micado, Rahm und Orangenblüte sowie für die Fussball-Europameisterschaft 2020 eine Passionsfrucht-Basis garniert mit Rum und Kokosnuss. In der Hochsaison werden 25 Glacé-Sorten hergestellt, die ein echter Hit sind!

gelateria-doppiogusto.business.site

Die Geschichte der Gelati

Bereits vor Tausenden von Jahren haben verschiedene Völker gerne Gefrorenes – wie es damals genannt wurde – genossen. Natürlich nur die, welche es sich leisten konnten. Beispielsweise Fürsten oder Könige, insbesondere in Mesopotamien, China und dem Römerreich.

Nach dem Untergang des römischen Reichs siedelten sich die Araber in Sizilien an. Sie brachten das Rezept für Sherbet – Schnee mit Zuckersirup und Gewürzen – mit nach Europa und machten es bekannt. 1686 eröffnete ein Italiener in Paris ein Café mit Glacé im Angebot. Ab 1700 wurde Speiseeis in europäischen Kaffeehäusern bekannt, im 18. Jahrhundert wurde es in Frankreich auf der Strasse verkauft. Die erste bekannte Gelatieria gab es 1770 in Hamburg, 1799 die erste deutsche Eisdiele.

Im 19. Jahrhundert machten sich einige italienische Gelatieri Richtung Wien auf, um dort von Ostern bis Oktober Gelato herzustellen und zu verkaufen. So wurden die italienische Gelati in der ganzen Welt zum Inbegriff für qualitativ hochwertige Glacé.

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