Die Neuauflage des Gesamtarbeitsvertrags (GAV) der Schweizer Bäcker-Confiseure steht. Nun muss er noch allgemeinverbindlich erklärt werden. Es waren harte, aber sehr faire Verhandlungen, darüber sind sich Hotel & Gastro Union, die Arbeitnehmervertretung, und der Arbeitgeberverband SBC einig. «panissimo» war bei einem Roundtable-Gespräch dabei.

In der Richemont Fachschule in Luzern treffen sich zu einem Roundtable-Gespräch SBC-Präsident Silvan Hotz, SBC-Direktor Urs Wellauer, Markus Eugster, Präsident Schweizer Bäckerei- und Konditorei-Personal-Verband (sbkpv), David Affentranger, Geschäftsführer sbkpv, Mario Gsell, Leiter Verlag Hotellerie und Gastronomie, sowie ein Redaktor und eine Redaktorin. Sie unterhalten sich über das neue Vertragswerk, das Anfang 2019 in Kraft treten sollte.

Was bedeutet der GAV für die Bäckerbranche?
Urs Wellauer:
Wir haben eine massgeschneiderte Lösung, einerseits für die Arbeitgeber, andererseits für die Arbeitnehmenden. Der neue GAV ermöglicht uns eine gemeinsame, tragbare Zukunft.

Silvan Hotz: Er bedeutet eine Stärkung für die gesamte Bäcker-Confiseur-Branche, die sich so im Markt behaupten kann. Das ist sehr wichtig. Selbst wenn Betriebe einen Gastronomieteil haben, können sie nicht mit der Gastronomiebranche gleichgesetzt werden.

Markus Eugster: Er ist ein Meilenstein. Was besonders schön ist: Die Bäcker-Confiseure sind wieder die eigenen Herren im Haus.

David Affentranger: Strukturell ist dies ein Riesenschritt in die absolut richtige Richtung. So können wir als Bäcker auch in Zukunft selbstständig wirken.

Silvan Hotz: Wir waren uns nicht immer so einig … (Lachen aller Beteiligten)

Der Bundesrat hat den GAV allgemeinverbindlich erklärt. Was bedeutet das?
Silvan Hotz:
Der SBC hat als Arbeitgeberverband zwar einen hohen Organisationsgrad. Dennnoch hat es vereinzelt sogenannte Aussenseiter. Mit der Allgemeinverbindlichkeits-Erklärung (AVE) können wir sogenannte Trittbrettfahrer, die den GAV und die AVE zu umgehen versuchen und dennoch von den Vorteilen der Branche profitieren wollen, eliminieren. Mit der AVE haben alle die gleichen Bedingungen. Auch diese Betriebe müssen sich künftig beispielsweise an den Kosten der Aus- und Weiterbildung beteiligen, wollen sie weiterhin gute Fachkräfte haben.

Markus Eugster: Ich schliesse mich der Antwort von Silvan Hotz an. Damit haben alle die gleichen Rahmenbedingungen.

Urs Wellauer: Die Schnittstelle zum Gesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes (L-GAV) ist mit der AVE jedoch vermehrt diskutiert worden. Die parallele Anwendbarkeit von GAV und L-GAV, die teilweise nicht zu verhindern war, wirkt sich v. a. für die Arbeitgebenden belastend aus, ohne dass die Arbeitnehmenden davon einen Nutzen hatten – das Gegenteil war teilweise sogar der Fall. Für den Arbeitgeber bewirkt dies eine administrative Erleichterung.

Viele Bäckereien-Confiserien führen Cafés oder Restaurants. Bei mehr als 50 Sitzplätzen galt bisher für den Gastroteil der L-GAV des Gastgewerbes. Der Bäcker-Confiseur-GAV ist neu dem Gastro-GAV angeglichen worden. Sie haben es erwähnt. Gibt es noch weitere Vorteile?
Urs Wellauer:
Ein wichtiger Punkt ist das Betriebsklima. Obwohl eine Rechtssicherheit mit diesen beiden GAVs bestanden hat, kam es trotzdem vor, dass der eine oder andere Arbeitnehmende das Gefühl hatte, bevorteilt oder benachteiligt zu sein. Für den Arbeitgeber war diese Situation nicht immer einfach. Ein grosser Pluspunkt ist deshalb die Unterstellung der ungelernten Mitarbeitenden und damit die Gleichstellung innerhalb des Betriebs, was für den Arbeitgeber wiederum eine weitere Aufgabenstellung bedeutet.

Weshalb eine weitere Aufgabenstellung?
Silvan Hotz:
Für kleinere und mittlere Betriebe bedeutet dies einen erheblichen finanziellen Mehraufwand in Bezug auf den Mindestlohn und auf die fünfte Ferienwoche. Und trotzdem ist es wichtig, dass wir nun Gleichwertigkeit haben werden. Es bringt Sicherheit und Ruhe in den Betrieben.

Wie viele Betriebe sind betroffen?
Urs Wellauer:
Es sind sicher alle Betriebe betroffen. Aber genaue Zahlen haben wir nicht, weil in unserer Branche – im Gegensatz zur Gastronomie – auf Bundesebene keine statistischen Zahlen erhoben werden. Aufgrund unseres Branchenspiegels wissen wir allerdings, dass rund 20 % unserer knapp 1500 Mitglieder gastronomische Dienstleistungen anbieten. Und diese Tendenz ist eher zunehmend.

David Affentranger: Es ist tragisch, dass wir als Branche vom Bundesamt für Statistik nicht berücksichtigt werden.

Was bringt der GAV den Mitarbeitenden?
Markus Eugster:
Sicherheit für alle Mitarbeitenden und die gleichen Bedingungen und Vorausstzungen im Betrieb. Mit der fünften Ferienwoche und dem Mindestlohn eine Verbesserung für die ungelernten Mitarbeitenden.

David Affentranger: Es bringt vor allem auch strukturelle Änderungen. Alle reden nun vom Gleichen und haben gleich lange Spiesse. Zudem ist jetzt die Nachtarbeit versichert.

Urs Wellauer: Die Nachtarbeit ist ein wichtiger Punkt und war auch ein Knackpunkt in den Verhandlungen. Es ist eine Besserstellung gegenüber dem L-GAV.

Welches sind die weiteren materiellen Verbesserungen?
Urs Wellauer:
Die Angleichung an den L-GAV: Mindestlohnkategorie wie beim L-GAV. Der grosse Schritt ist die Unterstellung der Ungelernten.

David Affentranger: Die Tatsache, dass die Nachtarbeit nun ein Lohnbestandteil ist und versichert ist, bietet eine grosse Sicherheit.

Es ist erwähnt worden: Der neue GAV beinhaltet für den Arbeitgeber finanzielle Herausforderungen. Wird das Brot nun teurer?
Urs Wellauer:
Allgemein lässt sich die Fragen kaum beantworten. Für unsere Mitglieder ist dies eine schwierige Situation. Der Druck gegen eine Preiserhöhung ist sehr gross. Der Kampf der Discounter und Grossverteiler im Detailhandel ist gross. Zurzeit werben diese vor allem intensiv mit dem Brot. Unter diesem Lockvogel-Marketing leiden zum Teil unsere Betriebe. Es sind nicht nur die Lohnkosten, die hoch sind. Der restliche finanzielle Aufwand ist ebenfalls enorm. Die fünfte Ferienwoche belastet schwer. Ich denke allerdings nicht, dass die Brotpreise steigen werden.

Silvan Hotz: Rund 50 % der Kosten in einem Betrieb sind Personalaufwand. Es ist Sache eines jeden Mitglieds, ob es die Preise erhöhen will oder nicht. Vor dem Kunden muss der Aufpreis allerdings begründet werden. Wenn man all die positiven Punkte hervorhebt, dass beispielsweise der Mitarbeitende damit mehr Leistungen kriegt, kann dies für den Betrieb, aber auch für unsere Branche imagefördernd eingesetzt werden.

David Affentranger: Ziel ist es, dass die Mitarbeitenden unserer Branche erhalten bleiben. Der GAV trägt das Seine dazu bei.

Urs Wellauer: Ich möchte allerdings betonen, dass für diesen GAV auf beiden Seiten relativ viel Überzeugungsarbeit nötig war, damit wir da stehen, wo wir jetzt sind. Es war nicht so einfach, wie es jetzt tönt.

Welches waren die grössten Knackpunkte?
Silvan Hotz:
Sicher die Unterstellung der Ungelernten, die Erhöhung des Krankentaggelds während der Wartefrist und der 13. Monatslohn nach dem 3. Monat. Punkte, die den Arbeitgebern zusätzliche Personalkosten verursachen.

Urs Wellauer: Die Nachtarbeit war ebenfalls eine der grossen Herausforderungen, weil sie monetäre Auswirkungen hat. Wir begrüssen den vereinbarten Kompromiss: Die Arbeitnehmenden sind uns im Zusammenhang mit der Lohnerhöhung entgegengekommen: Diese gilt erst ab 2020. Ebenso sind wir froh über die Verlängerung der Probezeit auf drei Monate.

David Affentranger: Es ist ein Fakt: Wir sind keine überbezahlte Branche. Und wir wissen, dass die Arbeitgeber gerne ein paar Franken mehr zahlen würden. Aber nicht können. Mit dieser Vereinbarung haben wir einen guten Weg gefunden. Schlussendlich brauchen wir Arbeitnehmende die Arbeitgeber und ihr benötigt das entsprechende Personal. Vielen Dank für das Zustandekommen!

Welches sind die grössten Knackpunkte aus Sicht der Arbeitnehmenden?
David Affentranger: Das Strukturelle. Dass wir die Nachtarbeitszeit auf diese Weise geregelt haben. Sie wurde um eine Stunde reduziert. Zu erklären, dass es am Ende wieder ausgeglichen wird, ist nicht ganz einfach.

Markus Eugster: Für viele war der Nachtarbeitszuschlag ein grosser Lohnbestandteil.

David Affentranger: Ich bin überzeugt, dass wir den richtigen Weg beschreiten.

Urs Wellauer: Es war ein Geben und Nehmen. Es war keine Taktiererei. Wir konnten nicht mehr geben. Es waren intensive Verhandlungen, aber immer in einem korrekten und zukunftsgerichteten Umfeld.

David Affentranger: Wir haben hart, aber sehr fair verhandelt. Ich habe dies sehr geschätzt.

Bei den Arbeitgebern war die Abstimmung einstimmig, auch bei den Arbeitnehmenden?
David Affentranger
: Ja, sie war einstimmig.

Wie sieht der Fahrplan nun aus?
Urs Wellauer:
Wir haben mit den Sozialpartnern zusammen versucht, ein Vertragsloch zu verhindern, und haben deshalb gemeinsam beim Seco eine Verlängerung des bestehenden Vertrags eingegeben. Denn: Es könnte sein, dass wir im schlimmsten Fall noch keinen Entscheid bezüglich der Allgemeinverbindlichkeits-Erklärung des neuen GAVs haben. Unabhängig davon werden wir im Herbst regionale Info-Veranstaltungen organisieren.

Silvan Hotz: Ziel ist es, dass der Vertrag am 1. Januar 2019 in Kraft treten kann, aber nur, wenn er vom Seco allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Der Ball dafür liegt nun beim Seco.

David Affentranger: Der neue GAV hat eine Gültigkeit von fünf Jahren. Das bringt Ruhe.

Silvan Hotz: Die fünf Jahre geben etwas Luft. Wir müssen nicht nach zwei, drei Jahren wieder mit neuen Forderungen an unsere Mitglieder treten.

Urs Wellauer: Wir haben ein solides Vertragswerk! Wir haben Gleichwertigkeit zum L-GAV.

Silvan Hotz: Wenn die AVE steht, übergeben wir den Vollzug in die Hände unserer Paritätischen Kommission Bäcker-Confiseure (pkbc), welche die Einhaltung des GAV prüft und durchsetzen wird.

Ab 2019

Seit 2015 ist der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Schweizer Bäcker-Confiseur-Branche in Kraft, seit 2016 ist er allgemeinverbindlich. Der neue GAV enthält unter anderem neu die Gleichwertigkeit zum Gesamtarbeitsvertrag im Gastgewerbe (L-GAV). Das Gesuch ist beim Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) hängig. Anschliessend muss der GAV vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärt werden. Geschieht dies fristgereicht, tritt der Vertrag Anfang 2019 in Kraft.

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