Ihre Faszination für die Confiserie und der hohe Ausbildungsstandard haben die Italienerin Arianna Flaborea bewogen, in der Schweiz eine Lehrstelle zu suchen. Nach einem Praktikum und einer dreijährigen Lehre in der Bäckerei-Konditorei Wolfisberg in Carouge (GE) blickt die 23-Jährige im Gespräch mit «panissimo» mit berechtigtem Stolz zurück.

Arianna Flaborea ist in einem kleinen Dorf in der Nähe von Venedig aufgewachsen. Das Bäckerei-Confiserie-Gen hat sie sozusagen in ihrem Blut: Ihr Vater Renato Flaborea ist Bäcker und führt zusammen mit seinem Bruder einen eigenen Betrieb.
Doch vorerst entschied sich Arianna Flaborea, einen anderen beruflichen Weg einzuschlagen. Sie besuchte das naturwissenschaftliche Gymnasium in ihrer Wohnregion. Fünf Jahre lang. Während dieser Zeit begann das Feuer für die Patisserie zu brennen. Ihr Vater habe sie dabei nicht gebremst, «nein, er hat mich bei der Realisation meiner Idee unterstützt».

Schweiz als Wunschland

Die junge Frau wollte allerdings die Berufsausbildung nicht in Italien machen. «Da gibt es zwar Privatschulen, die Kurse anbieten. Die sind erstens teuer, und zweitens wollte ich ein Diplom in den Händen halten.»

«Die Schweiz mit ihrem dualen Bildungssystem bietet optimale Plattformen für die Berufsbildung.»


Die Suche nach einer Lehrstelle als Confiseurin im Tessin war erfolglos. Vater Renato Flaborea und François Wolfisberg kennen sich über den Richemont Club seit sechs Jahren. An der italienischen Fachmesse Sigep in Rimini lernten sich Arianna Flaborea und der Genfer Bäcker-Konditor kennen. Er erfuhr von ihrem Wunsch, und ihr Traum wurde erfüllt. Nach einem mehrmonatigen Praktikum in der Produktion und im Verkauf war klar: Die Venezianerin konnte ihre Lehre als Confiseurin in der Bäckerei-Konditorei Wolfisberg in Carouge (GE) starten und ihre Passion ausleben.

Nicht immer einfach

Trotz ihrer grossen Leidenschaft für ihren Beruf und die Produkte und der Unterstützung durch die Familie Wolfisberg sowie die Mitarbeitenden war der Anfang für sie alles andere als einfach: «Ich überlegte mir mehrmals, nach Hause zurückzukehren», gesteht sie rückblickend. Denn: Die junge Italienierin sprach mehr schlecht als recht Französisch und ihre Familie war weit weg.
Doch das sprachliche Manko war rasch behoben. Sie besuchte einen Französisch-Intensivkurs, und in der Stadt Genf fühlte sie sich ebenfalls bald heimisch. Der unterschiedliche Arbeits- und Schulrhythmus machte ihr ein bisschen mehr zu schaffen. Aber daran gewöhnte sie sich ebenfalls. Auch konnte sie von ihrem Zimmer in der Bäckerei-Liegenschaft in eine nahegelegene kleine Wohnung ziehen.

Eine wichtige Freundschaft

Etwas schwieriger war die sprachliche Hürde in der Schule. Zu Hilfe kam ihr, dass sie einen grossen Teil der Inhalte bereits während ihrer Gymnasiumszeit vermittelt gekriegt hatte. Vor allem aber hatte sie grosse Unterstützung von ihrer neu gewonnenen Freundin: Die 33-jährige Mutter eines Kindes, Noëmie Souici, die mit ihr bei Wolfisberg die Lehre als Bäcker-Konditorin absolvierte. «Wir sind ähnlich, privat wie beruflich, sprechen oft vom Gleichen und lachen viel», beschreibt Arianna Flaborea die Freundschaft. Mit im Bunde war noch eine dritte Lernende, Célestine Félix, welche sich zur Konditor-Confiseurin ausbilden liess. «Alle drei haben die Lehre mit ausgezeichneten Resul­taten abgeschlossen», freut sich François Wolfisberg. Einen wichtigen Beitrag leistet die Ausbildnerin und Leiterin Konditorei, Isaline Kaufmann, die mit den Lernenden auch ausserhalb des Betriebs viel unternimmt und sie unterstützt.
François Wolfisberg verfolgt die Noten seiner Schützlinge wöchentlich und kommentiert diese auch.

«Ich merkte während dem Stage sofort, dass Arianna den Charakter, den Willen und die Intelligenz hat, um die Lehre bei uns erfolgreich absolvieren zu können.»

Leidenschaft und Wille

«Neben der Leidenschaft braucht es auch einen starken Willen», betont François Wolfisberg. «Non è tutto rose e fiori (es hat nicht nur Rosen und Blumen)», stimmt ihm Arianna Flaborea zu. «Doch ich habe vorwärtsgeschaut und bin Schritt für Schritt vorangegangen.» Die kleinen und grossen Freuden beim Produzieren und Kreieren sowie der Sieg am Wettbewerb «Eclaire du président» im zweiten Lehrjahr haben immer wieder motivierende Impulse verliehen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Noëmie Souici hat die junge Berufsfrau die Wettbewerbsaufgabe gelöst und ein Produkt mit einer Kombination aus Himbeer, Schokolade und Krokants rosé Tuiles (tegole) geschaffen.
Auch für die Lehrabschlussprüfung haben sich die beiden gegenseitig inspiriert und unterstützt. Die Herkunft von Arianna Flaborea ist bei ihrem kunstvoll angefertigten Schaustück leicht zu erraten: Venedig

Die Zukunft

Wie sieht ihre Zukunft nach der Lehre aus? Arianna Flaborea wird noch bis Ende Juli in der Bäckerei-Konditorei Wolfisberg arbeiten. Dann werde sie am Meer und bei ihrer Familie ihre Ferien verbringen. Eine definitive Rückkehr nach Italien kommt für sie im Moment nicht in Frage. Zu sehr gefällt es ihr in Genf. Sie hat hier ihren Freundeskreis, und die Arbeit in der Schweiz gefällt ihr sehr. «Ich fühle mich ‹iper-bene›, bin während meiner Lehre reifer geworden. Hier bin ich unabhängig.» Sie wird künftig beim Genfer Chocolatier-
Pâtissier Joël Merigonde in Genf arbeiten. Wie die weitere Zukunft aussehen wird, ist noch offen. «Wer weiss, wohin mich der Wind weht?…» Aber eines ist gewiss: Sie wird die Patisserie immer lieben: «Der Beruf als Confiseurin wird unterschätzt. Es ist ein Wow! Die Menschen wissen nicht, wie viel Emotionen in einem Produkt stecken. Man braucht knapp fünf Minuten, um eine Patisserie zu essen und beachtet die Ästhetik, den Geschmack und die Konsistenz kaum.»

Die Bäckerei-Konditorei Wolfisberg

Der engagierte Genfer Bäcker-Konditor François Wolfisberg nimmt regelmässig Praktikanten aus dem Ausland, aber auch aus der Schweiz bei sich auf. Ihnen stehen zwei Zimmer in der Liegenschaft, wo das Hauptgeschäft ist, zur Verfügung. Zudem können die Praktikanten einen Französisch-Sprachkurs besuchen. Auch haben diese die Möglichkeit, anschliessend als Hilfspatissier bei ihm zu arbeiten.
Die Bäckerei-Konditorei Wolfisberg zählt 55 Mitarbeitende. Sie hat zehn Lernende, acht in der Produktion, zwei im Verkauf. Die Produktion und das Hauptgeschäft sind in Carouge (GE). Weiter gibt es zwei Filialen in Genf und eine in Rolle.

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