In der Rue du Four («Ofenstrasse») in Yverdon-les-Bains kümmert sich Séverin Gerber um die Bäckerei und Grégory Wyss um die Chocolaterie. Die Geschäftspartner und Gewinner der Bäckerkrone 2018 betreiben seit einem Jahr die Firma Gerber & Wyss und lieben «die einfachen Dinge, ohne Schnörkel und Getue».

In einer Zeit, in welcher dem Erscheinungsbild viel Aufmerksamkeit zukommt, setzt das Gewerbe auf ungekünstelte Authentizität. Die Vitrinen von Gerber & Wyss stechen nicht schillernde Glasuren und kolorierte Produkte hervor. «Unsere Produkte müssen gesund sein und Geschmack haben. Natürlich dürfen sie hübsch sein, aber das ist nicht die Hauptsache», präzisiert Grégory Wyss.
Der Chocolatier eröffnete letztes Jahr zusammen mit dem Bäcker Séverin Gerber ein Geschäft in Yverdon-les-Bains (VD). Die Jung­unternehmer beschäftigen sechs Personen, darunter zwei Lernende. Die beiden lernten sich 2009 bei Philippe Rochat in Crissier (VD) kennen. Die Idee, ein eigenes Geschäft zu eröffnen, reifte bei den zwei Angestellten des Sternekochs heran, mit dem sie die gleiche Vision von Handwerk teilen. Séverin Gerber fasst ihre Philosophie so zusammen: «Qualität bei den Rohstoffen, einfache Produkte und Qualität in der Herstellung.»

Das Regionale bevorzugen

Die zwei Geschäftspartner bevorzugen wo immer möglich regionale Rohstoffe. «Es ist sehr wichtig, mit unseren Nachbarn zusammenzuarbeiten statt die Lebensmittelindustrie zu bereichern», wirft Grégory Wyss ein. «Ein Handwerker muss mit einem Handwerker arbeiten, sonst macht es keinen Sinn. Wir können nicht industrielle Rohstoffe kaufen, um daraus ein handwerkliches Produkt zu machen!» Die Milchprodukte und Eier stammen von regionalen Bio-Betrieben. Ein Landwirt und Müller liefert ihnen auf einer Steinmühle gemahlene Mehle. «Wir kaufen im 80 bis 90 % seiner Produktion ab.»
Einige Rohstoffe sind nicht in der Region erhältlich. «Es ist zum Beispiel sehr schwierig, Haselnüsse aufzutreiben. Sie stammen darum aus dem Piémont. Wenn jemand aus der Nähe sie anbieten sollte, bin ich aber der Erste, der sie ihm abnimmt.» Es sind auch nicht alle Zutaten aus biologischer Landwirtschaft erhältlich. «Wir versuchen das Beste mit dem zu machen, was in der Nähe zur Verfügung steht», erklärt Grégory Wyss.

Die Produzenten respektieren

Gerber und Wyss versuchen die Produzenten vom Anbau seltener Produkte zu überzeugen. Etwa von biologischen Griottes. Diese Weichselkirschen sind auf dem Markt schwer zu finden. Der Grund sind die Anforderungen, die der biologische Anbau stellt, wie das Aufstellen von Netzen gegen Insekten rund um die Bäume. «Immerhin blühen ab dem nächsten Jahr zwei dieser Bäume auf dem Landgut Vuillemin in Pomy (VD)», erklärt Grégory Wyss.
Landwirte, welche solche Risiken eingehen, sind am Ende erfolgreicher als andere. Die zwei jungen Patrons diskutieren dabei nicht über den Verkaufspreis: «Wir tun dies nicht, weil wir ohne Rohstoffe nichts herstellen können und damit keinen Verdienst haben!» Séverin Gerber präzisiert: «Dank dem Respekt vor den Produzenten und den Rohstoffen haben wir viel Vergnügen bei der Arbeit. Die Produkte sind schlussendlich besser.»

Verkauf zum gerechten Preis

Der Einsatz dieser lokalen Produkte wirkt sich auf den Produktepreis im Laden aus. «Was das Brot betrifft, so kosten unsere Mehle drei- bis viermal mehr als üblich. Damit sind wir nicht auf demselben Niveau wie andere Bäckereien», erklärt Séverin Gerber. «Doch wenn wir alles genau berechnen würden, müssten wir unsere Patisserien noch teurer verkaufen!»
Die Bevölkerung schätzt den Wert der Nahrung allgemein zu gering ein, besonders wegen der tiefen Preise bei den grossen Anbietern. Grégory Wyss wird deutlich: «Wenn ein Produkt teuer ist, dann sicher nicht beim Gewerbe. Auf der einen Seite sagt man ihnen, CHF 5.50 sei viel zu viel für eine Cremeschnitte auf der Basis von echter Vanille, auf der andern Seite bezahlt man diesen Betrag für eine Flasche Mineralwasser im Restaurant.»

Den eigenen Stil umsetzen

Die Zahl der um die Qualität und Herkunft der Produkte besorgten Kunden steigt: «Vom ersten Tag an haben wir eine Stammkundschaft. Der Aufschwung ist konstant und ohne Schwankungen, was wirklich ein positives Zeichen ist.» Das um so mehr als der Laden mit den neun Sitzplätze nicht in einer stark frequentierten Fussgängerzone liegt. «Die Personen kommen nicht zufällig in unser Geschäft. Sie machen sich bewusst auf den Weg zu uns.»
Die Rue du Four kam zu ihrem Namen, weil im 13. Jahrhundert hier das Ofenhaus stand, und zwar genau am Ort der jetzigen Bäckerei-Chocolaterie. Zuletzt war in den Räumen ein Orthopädieatelier, was Gerber und Wyss trotz der nötigen Umbauten gelegen kam. «Wir wollten immer etwas von A bis Z aufbauen, um unseren Stil umzusetzen und von unserer eigenen Kundschaft profitieren. Damit konnten auch Vergleiche mit dem Sortiment und den Preisen einer Vorgänger-
Bäckerei vermieden werden.»

Die Kontrolle behalten

Die beiden Unternehmer streben für die Zukunft nicht ein Wachstum des Betriebes an. «Sich ständig entwickeln und wachsen, entwickeln und wachsen – das ist kompliziert. Man muss kompetentes Personal finden, dem man vertrauen kann. Irgendeinmal verliert man die Kontrolle», rechtfertigt sich Grégory Wyss und schlussfolgert mit einem Lächeln auf den Lippen: «Wenn der Betrieb gut funktioniert, schliessen wir ihn für einen weiteren Tag, um mit der Familie spazierengehen zu können.»

Passion muss nicht die Anzahl Jahre abwarten

Der 35-jährige Séverin Gerber und der 29-jährige Grégory Wyss erhielten die Bäckerkrone 2018. Diese wird vom Schweizerischen Hefeverband und vom SBC verliehen und zeichnet innovative Unternehmen aus, die durch ihre Ideen sowie ihr soziales, ökonomisches, fachliches oder ökologisches Engagement hervorstechen. Die beiden Unternehmer fühlen sich durch diese Auszeichnung sehr geehrt, wie Séverin Gerber betont: «Es macht Freude festzustellen, dass unsere Arbeit von den Akteuren der Branche anerkannt wird.»
Für die zwei Preisträger kommt Enthusiasmus nicht erst mit der Anzahl der Jahre: «Ein motivierter und leidenschaftlicher 15-Jähriger wird mehr erreichen als ein Fachmann mit 20 Jahren Berufserfahrung, der nur routinemässig arbeitet!»

Schokolade für jedermann

Der Bäcker Séverin Gerber und der Chocolatier Grégory Wyss sorgen sich in ihrer gesamten Produktion um Qualität und Authentizität. Im Bereich Schokolade setzen sie auf traditionelle Spezialitäten. «Wir machen Schokolade eher für Herr und Frau jedermann als für die Kenner.» Für den Confiseur ist es wichtig, die Klassiker zu beherrschen, bevor man alles erneuern will: «Es gibt nichts Besseres als
eine gut gemachte dunkle oder Milch-Schokolade. Schokolade ist ein Produkt, das sich selbst genügt. Sie braucht nicht zu viele Tricks.»
Das Sortiment umfasst einen Brotaufstrich, einige Tafelschokoladen und ein Dutzend Pralinen. «Es sind einfache Produkte.» Ungewöhnliche Variationen wie Tomaten/Basilikum oder Röhrling interessieren ihn nicht. «Diese sind geschmacklich vielleicht interessant. Nachdem man sie einmal versucht hat, war es dies aber schon. Man konsumiert davon nicht 500 g. Einer guten Nussschokolade kann man dagegen schwer widerstehen. Sie überdauert die Moden.»

Eine eigene Couverture

Mittelfristig möchte Grégory Wyss seine eigene Couverture produzieren. Heute wird dafür das einzige Halbfabrikat im Betrieb verwendet. «Wir werden in eine Produktionslinie investieren um unsere Schoko­lade von A bis Z selbst herzustellen. (…) Das Ziel dabei ist, nur mit Partnern zusammenzuarbeiten, die selbst Landwirte oder Handwerker sind und so von der Industrie unabhängig zu sein.» Den zwei Firmeninhabern liegt es am Herzen, mit einem Bio-Produzenten in Lateinamerika oder Afrika zu kooperieren und diesen korrekt zu bezahlen. Für die Einrichtung werden aber zusätzliche Räume erforderlich sein.

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