Food Waste ist in aller Munde und auch bei den Bäckereien-Confiserien ein grosses Thema. Wohin mit den Lebensmitteln, die nicht verkauft werden können? Lebensmittelverschwendung ist nicht nur teuer, sondern hat auch einen grossen Einfluss auf die Umwelt.

Im Durchschnitt wird jedes dritte Lebensmittel weggeworfen. Food Waste oder Nahrungsmittelverschwendung passiert in verschiedenen Phasen auf dem Weg vom Feld bis zum Teller: Sei es in der Landwirtschaft (aussortierte, unförmige Früchte oder Gemüse), bei der Verarbeitung (Überproduktion), im Grosshandel (Transportverluste), in der Gastronomie (zu grosse Portionen), im Detailhandel (abgelaufene Produkte) oder im Haushalt (Tellerreste oder weggeworfenes Essen).
Die grösste Verschwendung passiert beim Endkonsumenten. Pro Haushalt werden jeden Tag durchschnittlich 320 Gramm Lebensmittel verschwendet.

Anspruchsvoller und unberechenbarer

Kundinnen und Kunden werden immer wie anspruchsvoller und unberechenbarer. Die Zeit des geregelten Arbeitsalltags ist vorbei und es herrscht Dauerstress. Home Office und Gleitzeit-Arbeit regieren heutzutage die Arbeitswelt. Im neuen Arbeitsalltag findet die Mittagspause nicht mehr um Punkt 12.00 Uhr statt. Die Kundschaft erwartet auch am späten Nachmittag noch ein umfassendes Sortiment und frische Produkte. Ist dies nicht der Fall, droht Gefahr, dass die Kunden zur Konkurrenz gehen. Die Ansprüche an die Bäckerei-Confiserie-Betriebe sind daher hoch und es wird viel Flexibilität gefordert.
Auch das Wetter spielt eine grosse Rolle. Bei schlechtem Wetter ist tendenziell weniger potenzielle Kundschaft auf den Strassen unterwegs. Dies macht die Mengenberechnungen nicht gerade einfacher. Anhand eines Programms, Berücksichtigung spezieller Tage, Erfahrungswerten und Wettervorhersagen werden die erwarteten Verkäufe am Vortag berechnet.
Bestimmt müssen sich die Konsumentin und der Konsument an der Nase nehmen und ihre An­sprüche herunterschrauben. Doch auch bei den Bäckereien-
Confise­rien gibt es Handlungsbedarf.

Hier einige Massnahmen:

  • Messung der Lebensmittelverschwendung (eine Gratisdienstleistung von UAW)
  • Ausbau Statistiken zur Verbesserung der Lebensmittelplanung
  • «Muss»-Sortiment bis Ladenschluss definieren
  • Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden im Verkauf
  • Kunden informieren und sensibilisieren (Flyer, Brotsack, Aktion gegen Food Waste, Tischset mit Erläuterungen usw.)
  • Hilfsorganisationen berücksichtigen
  • Das Sortiment verkleinern, gemäss den Bedürfnissen des Kundenstamms

Was geschieht damit, wenn trotzdem etwas übrigbleibt?

Der WWF Deutschland hat die Top-4-Entsorgungsarten anhand einer im September 2018 veröffentlichten Studie hervorgehoben:

  • Verwendung von altem Brot zur Herstellung von Brotteigen: eine ökologisch sinnvolle Wiederverwendungsoption von überschüssigem Brot besteht darin, es zum Bestandteil von Rezepturen zu machen.
  • Weitergabe an Dritte: Zahlreiche Bäckereien, Supermärkte und Discounter kooperieren mit gemeinnützigen Organisationen
  • (z. B. Tischlein deck dich, Ca­ritas). Darüber hinaus werden über die Initiative «foodsharing» Backwaren abgeholt und weitergeleitet.
  • Verkauf im eigenen Laden: Die beiden Berner Familienunternehmen Reinhard AG und Beck Glatz Confiseur AG verkaufen die Backwaren vom Vortag unter dem Titel «am 2. Tag, die 2. Chance, für 2 Franken». Die Merz AG Bäckerei-Konditorei unter «Merz vom Vortag».
  • Verarbeitung zu Tierfutter: Nach der Vermeidung und der Weitergabe an Dritte ist die ökologisch sinnvollste Verwertung von überschüssigem Brot die Weiterverarbeitung zu Tierfutter.
  • Energetische Entsorgung: Bäckereien, die Feine Backwaren (z. B. Torten, Kuchen mit nicht durch erhitzten Füllungen) und Snacks (mit Wurst, Schinken, Mett belegte Brötchen, Geflügel- oder Hackfleischrollen usw.) herstellen, werfen diese in der Regel in den Müll, können sie jedoch auch durch Recyclingunternehmen in Biogasanlagen entsorgen lassen.

Welche Alternativen gibt es?

Die Äss-Bar bietet seit 2015 eine weitere Lösung: In Zusammenarbeit mit verschiedenen Bäckereien-Confiserien werden in neun Verkaufsstellen Backwaren und Patisserie vom Vortag zu einem stark reduzierten Preis weiterverkauft. Dadurch kann eine Menge Food Waste vermieden werden. «Wir rechnen, dass wir über unsere neun Verkaufsstellen etwa 450 Tonnen Lebensmittel (Brot, Gebäck, Sandwich, Patisserie, Salate usw.) pro Jahr verkaufen», erläutert Sandro Furnari, Geschäftsführer der Äss-Bar GmbH. «Als weiteres Beispiel zur Veranschaulichung: Am Standort in Zürich verkaufen wir täglich zwischen 60 und 80 Kisten mit Lebensmitteln (handelsübliche Transportkisten, 60 × 40 cm)», ergänzt Sandro Furnari.

Was kann ich dagegen tun?

Mit einem etwas bewussteren Umgang können Brotverluste im Haushalt drastisch reduziert werden, und dies ohne Einbusse der Qualität. Ein gezielter Einkauf, die korrekte Lagerung, Toasten, Wiederaufbacken oder das Einfrieren lohnen sich deshalb. Ausserdem gibt es eine grosse Auswahlt an Rezepten zur Verwertung von altem Brot.

Was sind die Folgen?

  • Klimawandel: In der Schweiz verursacht die Produktion der Lebensmittel, die verloren gehen oder weggeworfen werden, die gleiche Menge an CO2-Emissionen wie 36 % aller Autos.
  • Wasserverschwendung: Die Menge an Lebensmitteln, die in der Schweiz nicht gegessen werden, entspricht einem Verlust von 600 Litern Wasser pro Person und Tag.
  • Geldverschwendung: Jeder Haushalt gibt jährlich etwa 1000 CHF aus für Lebensmittel, die nicht gegessen werden.
  • Hunger: Auf der Welt leidet immer noch fast 1 Milliarde Menschen an Hunger.
  • Erhöhte Preise: Eine steigende Nachfrage erhöht die Preise von Grundnahrungsmitteln auf dem Weltmarkt.
  • Unnötige Landnutzung: Um die Lebensmittel zu produzieren, die in der Schweiz verloren gehen oder weggeworfen werden, braucht es eine Fläche von der Grösse des Kantons Zürich.

Quelle: foodwaste.ch 2014

«Wir produzieren nicht gerne für den Abfalleimer»
Die Bäckerei-Confiserie Lyner in Winterthur ist einer der Partner, welcher übriggebliebene Produkte an die Äss-Bar weitergibt. «panissimo» hat beim Inhaber Peter Lyner nachgefragt:

Wie wichtig ist das Thema Food Waste für Sie?
Sehr wichtig, wir produzieren nicht gerne für den Abfalleimer, wir möchten ein gutes Brot für den Kunden produzieren und es dann auch verkaufen.

Wie hoch schätzen Sie den täglichen Anteil an Food Waste in Ihrer Bäckerei-Confiserie ein?
Von unserer Seite her 5–10 %, je nach dem, was man dazu zählt.

Wie hoch ist der Anteil, welcher an die Äss-Bar geht?
5 % gehen in etwa an die Äss-Bar.

Haben Sie noch andere Verwendungszwecke für die übrig gebliebenen Waren?
Wir geben gewisse Artikel und ebenfalls Brot an einen Caritas-Markt.

Wie gehen Kundinnen und Kunden mit dem Thema um bzw. zeigen Sie Verständnis?
Dem Kunden ist Food Waste ein wichtiges Thema, und er findet es gut, dass wir etwas dagegen machen, sofern er bis Ladenschluss auch noch eine grosse Auswahl hat.

Richemont Fachschule: Jahresthemenkurs Bäckerei-Konditorei

Unter dem Motto «Wissen erweitern und neue Inspirationen finden» stehen Sandwichs, Konfekt und Stückli sowie hausgemachte erfrischende und wärmende Getränke im Zentrum des Kurses 2019. Ausserdem behandelt werden folgende Themen: Auswahl der Rohstoffe, Regionalität, Food Waste und Werbung (Einsatz der Fotobox, neue Medien). Kursdaten

Rezepte mit Brot vom Vortag

  • Rezeptideen des Vereins Schwei­zer Brot unter: www.schweizerbrot.ch/blog/brot-vom-vortag-kreativ-nutzen.
  • Das Rezeptbuch der Richemont Fachschule «Köstlichkeiten mit Brot» ist erhältlich unter: www.richemont.online.

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