Zwei Lernende – der Schweizer Devin Dahinden und der Deutsche Marvin Voss – waren für je drei Wochen im Betrieb und in der Berufsschule des andern zu Gast. Sie schätzten diesen Blick über die Grenze.

Der 18-jährige Schweizer absolviert zurzeit das 3. Lehrjahr der Fachrichtung Bäckerei-Konditorei bei brot & co in Buttisholz (LU). Für drei Wochen – damit er nur einen Schultag verpasste in den Schulferien im Herbst – war er in der Bäckerei Plentz in Potsdam bei Berlin. Dort arbeitete er mit dem 27-jährigen gelernten Hotelfachmann Marvin Voss zusammen, der im 2. und letzten Lehrjahr seiner Zusatzausbildung zum Bäcker ist.

Anschliessend war der Deutsche bis am 11. November für total drei Wochen mit dem Schweizer Kollegen in dessen Lehrbetrieb. Fachlehrer Markus Lustenberger motivierte Firmeninhaber Peter Aregger, den Austausch seinem daran interessierten Lernenden Devin Dahinden zu ermöglichen. Aregger pflichtete ihm bei und sah darin auch eine Chance für seinen Betrieb.

2017 beteiligt sich brot & co als einzige Bäckerei des Kantons am Austausch. Durch einen Kontakt zwischen dem Berufsbildungszentrum Willisau (Fachbereichsleiter Lebensmittel Hubert Gassmann und Bäcker-Confiseur-Fachlehrer Markus Lustenberger) und der Handwerkskammer Potsdam fand ein solcher in den letzten Jahren aber auch schon mit anderen Bäckereien statt.

Interessante Einblicke

Der Schweizer Lernende kannte die Arbeiten, die er in der Bäckerei Plentz ausführte, alle schon. An das straffe Anziehen beim Aufarbeiten von Brot und die geringere Abwechslung bei der Arbeit musste er sich aber anpassen. Er wohnte beim Chef und lernte in der Freizeit mit Marvin Voss und auch auf eigene Faust Berlin und dessen kulinarisches Angebot kennen.

Der Deutsche wohnt für die Zeit seines Schweiz-Aufenthalts in der Familie von Devin Dahinten und erkundete in der Freizeit mit ihm Stadt und Kanton Luzern, eine Gewerbeausstellung und mit einer SBB-Tageskarte in einer kleinen Tour de Suisse aber auch andere Schweizer Städte wie Zürich, Bern und Genf. Im Betrieb, in der Schule und in seiner Gastfamilie wurde er freundlich aufgenommen. Bei der Arbeit fühlte er sich zuerst aber als fünftes Rad am Wagen, da er einige Arbeiten und die lockere Art des Aufarbeitens nicht kannte.

Unterschiede im Betrieb …

Die Bäckerei Plentz in Potsdam ist mit fünf Verkaufsstellen (jeweils mit Kaffeebereich und Frühstücksbuffet), einem Verkaufswagen und zwei Wiederverkäufern für deutsche Verhältnisse ein kleiner Betrieb. Auch die Sortimentsgrösse ist klein, doch das Produktionsvolumen und damit die Mitarbeiterzahl von 150 sind im Verhältnis dazu recht gross. Sandwichs herzustellen rentiert nicht, weil die Konkurrenz zu gross ist. Dafür werden mit einer Rheon-Brotmaschine und auf Produktionsstrassen v. a. Brote, Brötchen (Schrippen), Streusselkuchen und Butter­cremetorten zumeist direkt für den Tagesbedarf hergestellt. So formt jemand z. B. in drei, vier Stunden von Hand 4000 gleiche Brötchen. Vielleicht empfand Devin Dahinden die Mitarbeitenden der Firma Plentz auch deshalb eher als ernst.

Im Gegensatz zur Bäckerei im deutschen Potsdam hat brot & co in Buttisholz ein breites Sortiment aus den Bereichen Bäckerei, Konditorei, Confiserie und Snacks – darunter diverse Schokoladespezialitäten, die für den deutschen Lernenden Neuland waren. Er arbeitete zum ersten Mal mit einem Cornet und mit Couverture. brot & co beschäftigt 30 Personen, hat drei Verkaufsstellen mit jeweils kleinem Kaffeebereich und beliefert zwei Wiederverkäufer. Wenig anders ist für die Lernenden der Arbeitsbeginn in beiden Betrieben.

… und im Ausbildungssystem

In Deutschland gibt es je eine dreijährige Lehre zum Bäcker und zum Konditor (letztere umfasst die Bereiche Konditorei und Confiserie). Eine Art Attestlehre gibt es nicht. Eine ganze Woche pro Monat sind die Lernenden in der Schule, den Rest des Monats ganz im Betrieb. Analog zu je einem dreitägigen Überbetrieblichen Kurs (ÜK) pro Lehrjahr in der Schweiz haben unsere nördlichen Nachbarn die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) von fünf Tagen pro Lehrjahr. Die Schlussprüfung ist in der Schule ähnlich, die praktische Prüfung dauert in Deutschland nur einen statt eineinhalb Tage und findet im Institut für Getreideforschung und nicht im Lehrbetrieb statt.

Zu denken gibt, dass in dem für seine Brotkultur bekannten Deutschland nur noch wenige eine Bäckerlehre absolvieren wollen: In der Klasse von Marvin Voss gibt es gerade mal acht Auszubildende – in den Konditorenklasse desselben Lehrjahrs und Schulhauses sind es einige mehr.

Den Blick über die Grenze haben beide Lernenden als wertvoll erlebt. «Es war eine gute Erfahrung», erklärt Devin Dahinden. Enttäuscht ist er hingegen von der deutschen Berufsschule, wo er die Disziplin und den Respekt vor den Lehrpersonen vermisste und sich über die so verlorene Zeit ärgerte. Auch wird aus seiner Sicht – und sein deutscher Kollege pflichtet ihm bei – viel Unnötiges wie Zubereitungsarten von Spiegeleiern unterrichtet. «Jetzt schätze ich unsere Schule und unseren Betrieb umso mehr», fasst der Schweizer seine Auslanderfahrungen zusammen.

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