Die meisten Filialen in Schweizer Bahnhöfen oder in Bahnhofsnähe sind beliebt. Kein Wunder, denn die Kundenfrequenzen sind überdurchschnittlich hoch und praktisch 365 Tage garantiert. Die teils hohen Mietzinse werden deshalb in Kauf genommen. Dies ergab eine nicht repräsentative «panissimo»-Umfrage.

«panissimo» wollte von einigen Inhabern von Bäckerei-Confiserie-Betrieben mit Filialen in einem Bahnhof oder in Bahnhofsnähe die positiven wie auch negativen Punkte erfahren. Welches sind die Ri­siken eines solchen Standorts? Welches sind die Unterschiede gegenüber den anderen Filialen?

Hohe Besucherfrequenzen
Das Umfrageergebnis zeigt ein praktisch einheitliches Bild auf. Ein Fakt ist, dass jedes Unternehmen mindestens eine Filiale durchschnittlich seit mehr als zehn Jahre an einem Bahnhofstandort betreibt. Zu den klaren Vorteilen werden die Besucherfrequenzen gezählt. Diese sind sowohl zu den «regulären» Betriebszeiten wie auch an Randzeiten überdurchschnittlich hoch und tragen entsprechend dazu bei, dass mehr Umsatz generiert wird.

Abhängigkeit und wachsende Konkurrenz
Im Gegenzug werden als Nachteile die hohen Mieten, die Abhängigkeit von den Vermietern (vor allem die Schweizerischen Bundesbahnen SBB), die stetig wachsende Konkurrenz, die immer kürzere Vertragsdauer und die relativ hohen Investitionskosten genannt. Die Mietzinse für die Ladenlokale im Bahnhof seien konstant steigend. «Die Mietzinse werden bei Ausschreibungen und neuen Vertragsverhandlungen erhöht. Es wird für den Bäcker immer schwieriger, da mitzuhalten», betont Jörg Zenhäusern (Zenhäusern Frères SA, Sion VS). «Jedoch ist die Frequenz gesichert», fügt er hinzu.
Dieser Aussage stimmt auch die Swiss Retail Federation zu, welche die oft überhöhten Mieten an Bahnhöfen, insbesondere an den Hochfrequenzlagen, kritisiert. «Verschärft wird die Situation durch häufig überteuerte obligatorische Zusatzleistungen oder Vorgaben, beispielsweise bezüglich Beschriftung oder Sicherheit», erklärt die Geschäftsführerin Dagmar Jenni gegenüber «panissimo». Die SBB als alleinige Besitzerin von Bahnhöfen habe keine Konkurrenz in diesem Bereich und seien ein Monopolist.
Als Betreiber einer Verkaufsstelle im Bahnhof Bern lobt Alexander Reinhard (Reinhard AG) allerdings die Vergabepolitik der SBB. Sie vermiete die Standorte nicht dem Meistbietenden, sondern achte auf einen ausgewogenen Mix und dass auch gewerbliche Betriebe im Shopping-Bereich eines Bahnhofs vorhanden sind.
Diesen Mix bestätigt auch die SBB auf Anfrage von «panissimo». Die Bäckereien und Confiserien seien seit vielen Jahren essenzieller Bestandteil des vielfältigen Verpflegungsangebots in den Bahnhöfen der SBB. Frische Gipfeli, herzhaftes Brot, hausgemachte Sandwiches oder ein kräftiger Espresso zum Mitnehmen erfreuen sich bei den Kundinnen und Kunden grosser Beliebtheit. «Die Confiserien bieten den Reisenden mit ihrer grossen Auswahl exzellenter Naschereien die nebst Blumen sicher beliebtesten Mitbringsel für Einladungen und festliche Anlässe», unterstreicht Werner Widmer, Leiter Center Management bei SBB Immobilien.
Die Mieten für die hoch frequentierten Lagen in den Bahnhöfen haben nachfragebedingt ihr Preisniveau. Die SBB berücksichtige bei der Vergabe von Mietflächen gezielt auch lokale und regionale Anbieter – wie Bäckereien und Confiserien.

Risiken und Vorschriften
Der Betrieb einer Filiale im Bahnhof oder in Bahnhofnähe ist nicht ohne Risiken. In unserer Umfrage wurden unter anderem die Fahrplanänderungen der SBB genannt. Diese sind für Frequenzab- oder -zunahmen verantwortlich. Dazu kommt, dass die Kundschaft höhere Erwartungen an das Produktsortiment hat. Das heisst, eine grosse Auswahl an frischen Produkten sollte von früh morgens bis spät abends gewährleistet sein.
Ausserdem gilt es gemäss den Aussagen zusätzliche Vorschriften einzuhalten:

  • Die Öffnungszeiten: 365 Tage geöffnet und somit keine Selbstbestimmung bezüglich Feiertagen.
  • Ladenbeschriftung: teilweise vorgegeben, bzw. die Mieterinnen und Mieter sind stark eingeschränkt.
  • Rabattsystem: Manchmal muss an einer Aktion, lanciert von der SBB, teilgenommen werden.


Einen weiteren Punkt nannte Roni Merz (Merz, Chur): Seine Bahnhoffiliale befindet sich in einer Bahnhofunterführung, also fernab vom Tageslicht. «Wir weisen unsere Mitarbeitenden speziell darauf hin, dass sie ihre Pausen in den dafür vorgesehenen tageslichtdurchfluteten Räumen oder draussen verbringen sollen», unterstreicht er auf Anfrage von «panissimo».
Fazit: Trotz zusätzlichen Vorschriften, höheren Mietzinsen und sehr anspruchsvollen Kunden sind die Mieterinnen und Mieter zufrieden mit dem Standort.

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