Die Stadt Bern plant massive Massnahmen, um den Verkehr einzuschränken. Für das Gewerbe hätte dies fatale Folgen – auch für den Marzili-Beck. Doch nicht nur er leidet unter der gewerbefeindlichen Politik der Stadt Bern. Allerdings gibt es nun nach gemeinsamem, vehementem Vorgehen einen kleinen Lichtblick.

Der Gemeinderat der Stadt Bern hat sich zum Ziel gesetzt, dass Bern 2030 CO2-neutral ist. Er plant unter anderem den Verkehr stark einzuschränken. Mit gravierenden Konsequenzen für das örtliche Gewerbe, so unter anderem Walter Fuchs mit dem Marzli-Beck (siehe Porträt Seite 16). Die Bäckerei liegt an der Aare, neben dem idyllischen Marzili-Bad. In diesem Quartier soll nun eine Begegnungszone realisiert werden. Ein Teil der bestehenden Parkplätze inklusive die beiden Güterumschlagsplätze vor dem Laden sollen verschwinden. Wird dies realisiert, tötet die Stadt Bern den Lebensnerv dieser über die Stadtgrenze hinaus beliebten Qualitäts-Bäckerei.
17 Mitarbeitende wäre betroffen. Vor ein paar Jahren musste der Marzili-Beck bereits massive Umsatzeinbussen wegen verkehrs­einschränkenden Pollern im angrenzenden Matte-Quartier er­leiden.

Es geht ums Überleben
Die Bäckerei-Konditorei besteht seit 1950. Einst zählte man in den beiden Quartieren sieben Betriebe, heute ist der Marzili-Beck noch der einzige, der den täglichen Bedarf der Einwohnerinnen und Einwohner sowie der umliegenden Schulen und Dienstleistungsbetriebe abdeckt. Für Walter Fuchs geht es ums Überleben. Er hat deshalb einen Brief an die Stadtberner Behörde geschrieben: «Wir haben eine sehr breite Stammkundschaft, Handwerker, Pendler, Quartierbewohner usw. Der grösste Teil unserer Kunden erreicht uns mit dem Auto.»

Umsatzeinbusse wegen Poller
Betroffen von Verkehrsberuhigungsmassnahmen ist auch die Filiale der Bäckerei-Konditorei Sterchi AG an der Fabrikstrasse im Berner Länggassquartier. Dort hat man im Jahr 2015 Poller vor den Laden
gestellt, so dass aufgrund des fehlenden Durchgangsverkehrs viele Kunden weggeblieben sind. Dies verursachte eine Umsatzeinbusse von rund 15 %. Weniger schlimm waren die Folgen für eine zweite Filiale im gleichen Quartier, wo die Strasse von 17 bis 9 Uhr gesperrt wird.

Parkhaus statt Parkkarte
Ein weiteres Beispiel: Die Bäckerei Bread à porter steht mitten in der malerischen Berner Altstadt. Inhaber Patrick Bohnenblust startet jeweils mit zwei bis drei Mitarbeitenden nachts mit der Produktion. Zu einem Zeitpunkt, wo keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren.
Die Anfrage, für diese drei nachts arbeitenden Personen eine unpersönliche Parkkarte auszustellen, wurde vom Gemeinderat abgelehnt und auf das nahegelegene Parkhaus verwiesen, wo ein Parkplatz pro Monat 360 CHF kostet. In seiner Anfrage listete Bohnenblust all die vielen Beiträge auf, die Bread à porter zugunsten des Stadtlebens leistet. Ein Gespräch mit unter an­derem Stadtpräsident Alec von Graffenried sowie Gemeinderätin Ursula Wyss war erfolglos, «obwohl ich beim Abschied das Gefühl hatte, dass man mich verstanden hatte», so Bohnenblust. «Es sind viele kleine Tröpfchen, die ein Grosses ausmachen und gegen das Gewerbe arbeiten.» Von verschiedener Seite seien ihm bereits grössere und modernere Backstuben ausserhalb von Bern angeboten worden. «Doch wir wollen unserer kleinen, feinen und offenen Backstube die Treue halten und allen direkten Genuss anbieten.»

Sabotage der Zusammenarbeit
Unterstützt werden die betroffenen Betriebe vom Gewerbeverband der Stadt Bern. In einer Gesamtbetrachtung falle auf, dass die Stadtverwaltung kaum eine Gelegenheit auslasse, um wirtschaftseinschränkende Massnahmen einzuführen, kritisiert dieser in einem offenen Brief den Berner Gemeinderat und erinnert ihn daran, dass Städte deshalb entstanden und wuchsen, weil sie Kultur-, Verkehrs-, Wissens- und Wirtschaftszentren waren. «Unseres Erachtens missbraucht der Gemeinderat der Stadt Bern die Klimadebatte, um andere Ziele zu verfolgen. Unter anderem sabotiere er damit die bisher intensive lösungsorientierte Zusammenarbeit mit der Stadt Bern in Verkehrsfragen. KMU Bern hat sich aus diesem Grund aus den «dadurch nutzlos gewordenen und zeitaufwändigen Gesprächen» zurückgezogen.

Gespräch und Begehung
Die massive Kritik scheint eine erste — kleine — Wirkung zu zeigen: Am vergangenen Montag hat mit dem Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried eine erste Aussprache stattgefunden. Begleitet wurde Walter Fuchs vom Geschäftsführer der KMU Bern, Leonhard Sitter. Am Mittwoch ist eine Begehung vor Ort mit dem städtischen Verkehrsplaner vorgesehen.

Das könnte Sie auch interessieren

Pendler zwischen digitaler und analoger Welt