Die Bäckerei-Konditorei Fürst AG liegt nicht im Epizentrum von Bern, ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht einfach erreichbar, ist in den sozialen Medien nicht präsent, macht nicht gross Werbung – und wirtschaftet trotzdem äusserst erfolgreich. Wie lautet das Rezept für diesen Erfolg?

Das Marziliquartier in Bern befindet sich unterhalb des Bundeshauses an der Aare. Die Marzilibahn und eine Treppe verbinden das Quartier mit dem Stadtzentrum. Und hier steht die Bäckerei-Konditorei Fürst AG, angrenzend an das legendäre Marzilibad an der Aare. Nicht nur während der Badesaison stehen die Kundinnen und Kunden für die Salate, Sandwichs, Kuchen und Brote vor dem kleinen Laden Schlange, auch in den kühleren Monaten wird die weit über die Region hinaus bekannte Bäckerei aufgesucht.

Wetterradar im Einsatz

«panissimo» trifft sich mit Inhaber Walter Fuchs-Kuchen, um etwas über das Erfolgsgeheimnis zu erfahren. In der Nähe der Bäckerei-Konditorei befinden sich Schulen, Bundesbetriebe sowie auch einige Wohnhäuser. Viele Handwerker, Polizisten, Studenten und Schüler sowie Bürolisten und Quartierbewohner zählen zu den Kunden. Doch auch Touristen und Spaziergänger suchen die Bäckerei auf. Die Mittagsverpflegung ist ein wichtiger Umsatzträger. Selbstverständlich hängt alles vom Wetter ab. Ist es kühl und regnerisch, suchen bedeutend weniger Personen den Weg zur Bäckerei-Konditorei Fürst im Marzili auf. Ein Wetterradar erleichtert die Planung von Walter Fuchs.
Im Sommer ist der Umsatz deutlich höher. Diesen Zusatzaufwand erledigt Fuchs mit der gleichen Anzahl Mitarbeitenden: Fünf Personen sind im Verkauf, zehn Bäcker-Konditoren in der Produktion, inkl. einem Lernenden. Wenn Walter Fuchs in den Ferien weilt, springt Vorgänger Andreas Fürst als Ablösung ein.

Neuanfang mit bald 50 Jahren

Dessen Eltern Regula und Hans Fürst haben 1950 die Bäckerei-Konditorei eröffnet. Sechs Personen arbeiteten damals mit. 1987 übernahmen Gerda und Andreas Fürst-Lustenberger den Betrieb.
Von 1980 bis 1983 absolvierte Walter Fuchs seine Lehre als Bäcker-Konditor, machte anschliessend auswärts seine Erfahrungen, bevor er 1989 für die Meisterprüfung wieder zurückkehrte. Es folgten 21 Jahre in der Industrieproduktion. Bis 2013 leitete er fünf Jahre lang die Firma Ritz in Laupen. Dann suchte Walter Fuchs eine neue Herausforderung. Per Zufall erfuhr er, dass Andreas Fürst auf der Suche nach einem Nachfolger war. Im Dezember 2012 nahm er mit ihm Kontakt auf, im Januar 2013 war der Vertrag unterzeichnet, und am 1. Mai 2013 übernahm Walter Fuchs gemeinsam mit seiner Ehefrau den Betrieb. Mit bald 50 Jahren wagte er einen Neu­anfang.

Kleines Sortiment

Er habe keine grossen Veränderungen vorgenommen, erklärt Walter Fuchs gegenüber «panissimo». Schliesslich habe er einen Betrieb übernommen, der ausgezeichnet läuft und den er bereits gut kannte. Ein paar neue Produkte hat es trotzdem gegeben: Das Teigwaren-Sortiment wurde etwas erweitert. Es gibt neu Flammkuchen. Die UrDinkel-Produkte wurden eingeführt. Vor allem die UrDinkel-Pizza komme am Mittag bei den Studentinnen und Studenten sehr gut an. Auch bei den Sandwichs gibt es immer wieder neue Kreationen. Wird allerdings etwas Neues eingeführt, wird ein anderes Produkt aus dem Angebot entfernt. «Wir haben ein relativ schmales Sortiment», betont Walter Fuchs. Hauptartikel bleiben jedoch die Früchte- und gesalzenen Kuchen und das Spezialbrot – dieses hat «gefühlsmässig beim Verkauf zugelegt».

Bausteine des Erfolgs

Tradition kombiniert mit Innovation, Kontinuität in der Qualität und das pure Handwerk – das sind die Zutaten für das Erfolgsrezept der Bäckerei-Konditorei Fürst. «In unserer Backstube arbeiten wir bewusst nach traditionellen Methoden. Die Handarbeit nimmt dabei einen grossen Raum ein. Wir stellen unser gesamtes Sortiment um­weltschonend und CO2-neutral zu 100 % mit erneuerbarer Energie her», heisst es auf der Webseite. Die Lieferungen an die Kunden werden seit Sommer 2018 mit einem Elektrofahrzeug überbracht. Topprodukte nützen jedoch nichts, wenn die Gastfreundschaft fehlt. Deshalb ist für Walter Fuchs «der Verkauf das A und O für den Erfolg.»

Entwicklungspotenzial

Fuchs ist sich allerdings bewusst, dass es bei der Kommunikation noch Entwicklungspotenzial hat. «Wir leben von der Mund-zu-Mund-Werbung», so der Berner Bäcker-Konditor. Vor knapp drei Jahren ist eine neue Webseite geschaffen worden. Eine Kundenkarte wurde erfolgreich eingeführt. Zwar besitzt er eine stattliche Anzahl an E-Mail-Adressen von seinen Kunden, hat diese aber noch nie verwendet. Ebenso ist die Bäckerei-Konditorei Fürst in den sozialen Medien nicht präsent. «Ich habe viele Ideen», hält Walter Fuchs fest, doch es fehle ihm an der notwendigen Zeit für diese Arbeit. Denn die Qualität der Produkte dürfe nicht darunter leiden.

Lebensnerv bedroht

Grösste Sorgen bereitet dem Betriebsinhaber die Verkehrspolitik der Stadt Bern.
Bestehen doch Absichten, Fahr- und Parkverbote einzuführen sowie Parkplätze aufzuheben. Es gebe Kunden, die würden extra nach Feierabend einen Umweg zum Marzili-Beck fahren, um ihr Brot zu kaufen. Werden diese Pläne realisiert, «kann ich die Storen runterlassen. Das ist unser Lebensnerv», meint Walter Fuchs, der weiter für eine andere Verkehrspolitik kämpfen will.

Weitere Bilder gibt’s in der Fotogalerie

Das könnte Sie auch interessieren

Von der grossen Bühne in die kleine Kultbäckerei