Die Tätigkeit einer Detailhandelsfachfrau in unserer Branche ist nicht nur «Verchäuferle». Als sogenannte «Schreibtischtäterin» durfte ich dies in der Tarterie du Littoral in Neuenburg hautnah miterleben.

Um 9 Uhr, nach der ersten Verkaufs-Rushhour, tauche ich wie vereinbart im Laden der Tarterie du Littoral in Neuenburg auf und werde von Betriebsmitinhaberin Marie Perriard und ihrer Lehrtochter Tanja Stähli herzlich empfangen. Im oberen Stockwerk ist mein Garderobenschrank mit Claudia angeschrieben. Ich fasse die Littoral-Verkaufsschürze, montiere den Button «stagière» und gehe nach unten, durch die Produktionshalle ins Verkaufslokal. Doch halt – zuerst ein absolutes Must: Hände waschen, den Schmuck von den Händen und Armen entfernen sowie die Haare zusammenbinden. Und es gilt darauf zu achten, weder Haare noch das Gesicht mit den Händen zu berühren. Ich werde mir im Verlaufe des Tages bewusst, wie oft – sehr oft – ich diese Bewegung mache …

«Ich liebe den Beruf!»

Bevor um die Mittagszeit der zweite Kunden-Ansturm kommt, schildert mir die 2.-Jahr-Lernende Tanja Stähli die wichtigsten Abläufe und Handgriffe, beispielsweise wie ein Brot oder ein Stück Kuchen (Wähe) verpackt wird. Die 19-Jährige schwärmt von ihrem Beruf: «Je l’adore!» (Ich liebe ihn!)
Gegen 11 Uhr kriegen wir Verstärkung, Marie-Amandine Remeder ergänzt das Verkaufsteam. Sie arbeitet seit diesem Frühjahr in der Tarterie und stammt aus Frankreich. Ja, die Unterschiede zu Frankreich seien enorm, erklärt sie im Gespräch, doch sie habe sich sehr gut in der Westschweiz eingelebt.

3½ hinter der Theke

Es ist Mittagszeit. Wir sind zu viert hinter der Theke, also eher 3½ … Trotz vollem Laden, einer gewissen Enge hinter der Theke, einer Mitwirkenden, die nicht alles im Griff hat, und dem Telefon, das ab und zu klingelt – die drei Littoral-Frauen bleiben freundlich, aufmerksam und ruhig. Die Kunden sind zufrieden, ja einige sogar hocherfreut. Denn die Tarterie war wegen Ferien vier Wochen geschlossen. «Schön, seid ihr wieder da», war zu hören, oder: «Wir haben euch vermisst!»

Anspruchsvolle Tätigkeit

Der Verkauf ist anspruchsvoll. Nicht wenige Kunden wollen Auskunft haben über bestimmte Produkte. Wissen nicht genau, was sie kaufen sollen, benötigen eine kompetente Beratung. Einige betreten abgekämpft den Laden, beginnen aber beim Anblick der köstlichen Auslage erwartungsvoll zu strahlen. Ja, das Leuchten in den Augen der Konsumentinnen und Konsumenten fällt mir besonders auf. Die Vorfreude, etwas Köstliches geniessen zu können. Dies erfüllt mich mit Genugtuung und mit Stolz auf unsere gewerbliche Branche mit den qualitativ hochwertigen Produkten.

Wenn Kunden nuscheln …

Doch es gibt für mich als Deutschschweizer «Lernende» noch weitere Prüfsteine: Die Geräuschkulisse um die Mittagszeit ist gross. Das machte es für mich als Deutschschweizerin umso schwieriger, Kunden zu verstehen, die ihren Wunsch dahinnuscheln und gar noch die Hände vor dem Mund halten. Etwas, das ich mir als Kundin merken werde!

Die liebe Patisserie …

Die grösste Herausforderung für mich ist allerdings, wenn ein Kunde eine dieser liebevoll hergestellten Patisserien bestellt. Nur nicht dieses filigrane Produkt fallen lassen …! Einmal bleibt eine Johannisbeere eines Früchtetörtchen in der Griffzange stecken – ich schaffe es nicht, diese zu entfernen …
Nach 13 Uhr ist der zweite Ansturm vorüber. Mittagszeit für die Mitarbeitenden. Für diejenigen, die zurückbleiben, gilt es zu reinigen, aufzuräumen, zu verschieben, Kisten auszupacken, sich um Bestellungen kümmern usw. Es gibt immer was zu tun.
Im Verlaufe des Nachmittags habe ich das fachgerechte Broteinpacken im Griff, meine Kuchenstücke sind schon viel besser verpackt, und auch auf dem Display der Kasse finde ich die geläufigsten Produkte.

«Macht man es richtig, bereitet man den meisten Kundinnen und Kunden eine grosse Freude, zaubert ihnen ein Lächeln ins Gesicht.»

Nicht nur «verchöiferle»

Ich habe den Tag hinter der Verkaufstheke in der Tarterie du Littoral genossen, habe viel gelernt und bin reich an Erfahrungen nach Hause zurückgekehrt. Es ist ein wunderbarer, anspruchsvoller Beruf, in dem auf verschiedenen Ebenen Kompetenzen, Leidenschaft und Know-how verlangt werden. Es ist nicht nur «verchöiferle», sondern viel mehr. Und was mich besonders beeindruckt hat: Macht man es richtig, bereitet man den meisten Kundinnen und Kunden eine grosse Freude, zaubert ihnen ein Lächeln ins Gesicht, auch wenn sie eben noch total gestresst den Laden betreten haben.

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