Vor einem Jahr wurde der Berner Bäcker-Confiseur Daniel Eichenberger an der Generalversammlung zum neuen Pistor-Verwaltungsratspräsidenten gewählt. Wie war das erste gemeinsame Jahr mit CEO Markus Lötscher? Wie sieht die wirtschaftliche Situation nach Ausbruch des Coronavirus aus? «panissimo» fragte nach …

Vor einem Jahr wurde der Berner Bäcker-Confiseur Daniel Eichenberger an der Generalversammlung zum neuen Pistor-Verwaltungsratspräsidenten gewählt. Wie war das erste gemeinsame Jahr mit CEO Markus Lötscher? Wie sieht die wirtschaftliche Situation nach Ausbruch des Coronavirus aus? «panissimo» fragte nach …Es ist Anfang März. Montag, 17 Uhr. «panissimo» hat ein Zeitfenster von 30 Minuten für ein Interview mit dem Pistor-Präsidenten Daniel Eichenberger und CEO Markus Lötscher. Immer montags um 17 Uhr treffen sich die beiden im Pistor-Hauptsitz in Rothenburg. Es ist wenige Tage vor dem Corona-Lockdown durch den Bundesrat. Die beiden blicken zufrieden auf das vergangene Geschäftsjahr zurück, zeigten doch die Zahlen nicht nur im Gastronomie-Bereich, sondern erstmals seit ein paar Jahren auch in der Bäckerei-Confiserie nach oben. (siehe unten).

Die Pistor-GV hätte am 13. Mai stattfinden sollen, erstmals mit dem Berner Bäcker-Confiseur Daniel Eichenberger als Präsidenten. Aber die Corona-Krise machte einen dicken Strich durch die Rechnung. Anstelle der Generalversammlung wird eine Urabstimmung durchgeführt, mittels schriftlicher Stimm- und Wahl­abgabe (siehe unten).

Eigentlich wollte «panissimo» den ersten GV-Tag von Daniel Eichenberger fotografisch begleiten, von seinem Wohnort bis zur GV, aktuell von der Versammlung berichten und im Vorfeld ein Interview veröffentlichen. Seit Mitte März steht die Welt Kopf, Krise und Unsicherheit beherrschen den Alltag, die Wirtschaft. «panissimo» hat das Interview gekürzt und per E-Mail auf brennende Fragen Antworten eingeholt.

Markus Lötscher, können Sie uns einen kurzen Zwischenbericht liefern, wie die aktuelle Situation bei Pistor aussieht?
Markus Lötscher:
Wir verzeichnen Umsatzrückgänge im Bäckerei-Confiserie- sowie im Gastronomiesegment. Gleichzeitig setzen wir alles daran, unsere Genossenschafter und Kunden bestmöglich zu unterstützen. Um die Arbeitsplätze der Mitarbeitenden zu sichern, hat Pistor Kurzarbeit angemeldet. Die Pandemie wird natürlich ihre Spuren im Geschäftsergebnis hinterlassen; es wird ein schwieriges Jahr für alle.

Müssen die Genossenschafter nicht um die Existenz der Pistor bangen?
M. L.:
Nein. Pistor ist stabil aufgebaut und kann ihre Existenz falls notwendig durch die Aufnahme von Krediten kurz- und mittelfristig sichern. Wir stellen Projekte zurück, senken Kosten auf ein Minimum, führen die Kurzarbeit fort und halten am Einstellungsstopp fest.
Vielen unserer Kunden, vor allem gewerbliche Betriebe, kämpfen ums Überleben und sind zwingend auf Hilfe angewiesen. Die gesprochenen Unterstützungsbeiträge und -massnahmen vom Bund sorgen für eine kurzfristige Entlastung. Pistor unterstützt ihre Genossenschafter zusätzlich mit allen möglichen Mitteln. Je länger die Krise andauert, desto schwieriger wird es aber auch für «gesunde» Unternehmen. Die gesamte Wertschöpfungskette muss berücksichtigt werden. Nur gemeinsam können wir diese Herausforderungen meistern.

Sind Lieferengpässe zu befürchten?
M. L.:
Es bestehen nach wie vor keine Lieferengpässe bei Rohstoffen und anderen Produkten. Zwischenzeitlich sind auch wieder Desinfektionsmittel verfügbar und Pistor beschafft laufend neue Ware nach Bedarf. Daher besteht kein Anlass, sich aktuell übermässig zu bevorraten. Auch Hygienemasken können geliefert werden, und wir sind bestrebt, laufend Nachschub zu vernünftigen Preisen zu besorgen. Kurzfristige Lieferengpässe gibt es aufgrund der grossen Nachfrage höchstens beim Toilettenpapier. Aber auch dort können wir Alternativprodukte anbieten. Einige wenige Artikel mit sehr geringem Lagerumschlag sind neu nur noch auf Vorbestellung verfügbar, was zu leicht längeren Lieferfristen führt. Wir setzen alles daran, die Lieferverfügbarkeit zu gewährleisten und treffen entsprechende Vorkehrungen.

Müssen die Kunden mit Preiserhöhungen rechnen?
M. L.:
Leider steht im Juli 2020 eine Teuerung der Schweizer Butter an. Trotz unseres Insistierens bei Verbänden und Produzenten konnten wir dies aufgrund der Rohstoffknappheit in der Schweiz nicht verhindern. Um unsere Kunden zu entlasten und die Versorgung zu gewährleisten, bieten wir neu zwei weitere Profitprodukte aus Importbutter zum bisherigen Preis an. Wir hoffen und erwarten, dass die Milchbranche in dieser schwierigen Situation keine weiteren Preiserhöhungen durchsetzen will und sich solidarisch mit dem Bäcker-Confiseur-Gewerbe zeigt. Bei Desinfektionsmitteln, Einweghandschuhen und Schutzmasken gibt es ebenfalls erhöhte Preise aufgrund der grossen Nachfrage.

Daniel Eichenberger, als Verwaltungsratspräsident im ersten Amtsjahr und als Inhaber einer eigenen Bäckerei-Confiserie, sind Sie doppelt von der Corona-Krise gefordert. Wie schaffen Sie den zeitlichen Spagat?
Daniel Eichenberger: In der Tat ist die zeitliche Belastung zum Teil gross. Gerade in den Anfangszeiten der Krise war dies so. In meinem eigenen Unternehmen waren die Auswirkungen der Krise sofort und unmittelbar spürbar. Bei Pistor ist dies ebenfalls der Fall, aber ein wenig nachgelagert, dies hat geholfen. Die Doppelbelastung ist auch deshalb zu bewerkstelligen, weil wir in der Pistor einen CEO und eine GL haben, welche hervorragende Arbeit leisten und dies auch während dieser Krisenzeit unter Beweis stellen. Der Austausch zwischen Markus Lötscher und mir wurde intensiviert; dank Videocall ist das unkompliziert möglich, auch ohne vor Ort zu sein.

Die Verbundenheit der Pistor mit unserer Branche ist gross. Wie äussert sich dies in dieser Krise?
D. E.:
Im VR und in der GL wurde schnell erkannt, dass die Auswirkungen der Krise für unsere Genossenschaftsmitglieder zum Teil massiv sein werden und manch ein Betrieb enorm unter Druck geraten wird. Schnell und beherzt wurde im Sinne und Zweck der Genossenschaft ein Hilfspacket mit verschiedenen Massnahmen geschnürt und verabschiedet, welches eine substanzielle Unterstützung für diese Unternehmen bedeutet. Mit diesem unaufgeforderten und grosszügigen Agieren haben wir, aus meiner Sicht, unsere Verbundenheit mit der Branche klar und eindrücklich bewiesen.

Seit vergangenem Mai amten Sie als Präsident der Pistor Holding Genossenschaft. Wie hat sich Ihr Leben seither verändert?
D. E.:
Zum Glück hat es sich nicht gross verändert. Ich führe das gleiche Leben wie zuvor. Es ist so, dass ich meine Arbeitstätigkeit ein bisschen verändert habe: Ich wende mehr Zeit für die Pistor auf und weniger für die Confiserie. Es ist eine spannende Aufgabe, die ich gerne wahrnehme.

Gegenfrage an Sie, Herr Lötscher. Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?
M. L.:
In meinem Arbeitsalltag hat sich eigentlich auch nichts verändert. Ich hatte einen sehr intensiven Austausch mit dem ehemaligen VR-Präsidenten Willi Suter. Und ich pflege diesen mit meinem neuen Chef genau so intensiv und gut. Mein Arbeitsalltag ist nach wie vor sehr angenehm.

Also, keine grosse Veränderung für beide?
M. L.:
Es ist Montag, 17 Uhr. Vor einem Jahr wäre Willi Suter hier gesessen, heute ist es Daniel Eichenberger.
D. E.: Wenn man natürlich auf die Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident eingeht und nicht darauf, was sich im Leben verändert hat, dann sieht es anders aus: Die Herausforderungen sind neu und es sind andere Dimensionen.

2019 war für Sie ein erfolgreiches Jahr …
D. E.:
Ja, 2019 lief sehr gut. Vor allem freut mich, dass wir im Segment der Bäckerei-Confiserie zulegen konnten. Das erfüllt mich mit Stolz, vor allem wenn man die strukturelle Veränderung in unserer Branche beachtet. Es gibt selbstverständlich auch Bereiche, wo Potenzial nach oben besteht. Das gibt es immer, schliesslich wollen wir uns ständig verbessern.

In welchen Breichen von Pistor besteht Verbesserungspotenzial?
D. E.: Im Bereich der Digitalisierung warten anspruchsvolle Aufgaben auf uns, in denen wir auch eine Vorreiterrolle einnehmen wollen.
Sie sprachen von Bereichen, also in der Mehrzahl …
M. L.: In vielen Bereichen befinden wir uns auf dem richtigen Weg. Aber selbstverständlich haben wir auch Herausforderungen. Wir sehen in verschiedenen Themen immer wieder Verbesserungspotenzial. Diese Firma wird sich weiter verändern müssen. Denn die Ansprüche der Kunden verändern sich rasant. Wir müssen eine Verjüngung herbeiführen, in der Geschäftsleitung beispielsweise. Die Strukturen, das Management – es muss noch mehr zusammenwachsen. Damit wir mit der Schnelligkeit und der Dynamik des Marktes mithalten können.

Sie haben 2019 im Verkauf die Bereiche Bäckerei-Confiserie und Gastronomie zusammengelegt. Ist unsere Branche für die Pistor zu klein und zu wenig gewinnbringend geworden?
M. L.:
Wir haben die Bäckerei und Gastronomie nicht zusammengelegt. Das sind immer noch zwei getrennte Geschäftsfelder. Die Verkaufsleitung ist zusammengelegt worden. Wir haben allerdings immer noch Fachleute, die zu den Bäckereien-Confiserien gehen und auch solche, die zu den Gastronomen gehen. Diese Spezialisierung gibt es noch immer. Unser Eigentümer-Segment ist uns sehr wichtig.
D. E.: Das Bäckerei-Segment ist immer noch das grösste der Pistor und es wuchs wieder, wie Markus Lötscher zuvor betont hat. Wir haben einige Pläne, die wir in diesem Segment umsetzen möchten. Dadurch ist ein guter Drive entstanden. Es gibt inspirierende Inputs.
Dynamik, Partnerschaft, Zuverlässigkeit, Vertrauen – das sind gemäss Leitbild die vier Pistor-Werte.

Warum gerade diese vier und nicht beispielsweise Wirtschaftlichkeit?
D. E.:
Mit dem Genossenschaftsgedanken wäre es falsch, wenn wir als obersten Wert die Wirtschaftlichkeit aufführen würden. Die Wirtschaftlichkeit ist für uns zwar tagtäglich ein Thema, als Werteverständnis jedoch komplett falsch.
M. L.: Gegenfrage. Wenn Sie für die Pistor Werte umschreiben sollten, was käme Ihnen in den Sinn?

Wie sieht die mittel- bis langfristige Zukunft von Pistor aus?
D. E.:
Gerade in dieser Zeit gewinnen unsere vier Werte Vertrauen, Zuverlässigkeit, Partnerschaft sowie Dynamik an Bedeutung. Lieferungen zu gewährleisten, unsere Genossenschafter und Kunden zu schützen und zu unterstützen, ist unsere Mission. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung arbeiten Szenarien aus, damit Pistor auf dem Markt bestehen kann.

Geschäftsjahr 2019

Die Pistor AG erzielt im Geschäftsjahr 2019 einen Umsatz von 646 Mio. CHF und wächst um 2,5 %. Die positive Entwicklung ist auf den Sortimentsausbau im Bereich Frische sowie auf Zusatzgeschäfte durch das gut akzeptierte neue Konditionenmodell zurückzuführen.
Der Eigenlagerumsatz der Pistor AG ist mit 646 Mio. CHF um 15,8 Mio. CHF gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Erfreulich ist der Zuwachs von 0,5 % im Bäckereisegment. Mit 352 Mio. CHF macht das Eigentümersegment nach wie vor 54 % des Gesamtwarenhandels aus. Das Gastronomiesegment legt um 5 % zu und erreicht einen Umsatz von 294 Mio. CHF.

GV / Urabstimmung

Die 104. Generalversammlung der Pistor Holding Genossenschaft findet nicht statt. Die Pistor AG führt mit ihren Mitgliedern eine Urabstimmung durch (schriftliche Stimmabgabe). Die Abstimmungsergebnisse werden spätestens Ende Mai im «panissimo» und im SBC/Richemont-Newsletter sowie auf pistor.ch veröffentlicht.

Das könnte Sie auch interessieren

Mühle Leibstadt AG übernimmt Kern & Sammet AG