Mit den Schlussabstimmungen haben National- und Ständerat die Sommersession in den Bernexpo-Hallen abgeschlossen. 32 Vorlagen sind parlamentarisch unter Dach und Fach. Dabei sind auch jene, die in der wegen der Corona-Pandemie abgebrochenen Frühjahrssession im März liegen geblieben sind.

Verabschiedet worden sind der indirekte Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative, das modernisierte Aktienrecht mit Geschlechterrichtwerten für Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte, die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose und Gesetzesgrundlagen für eine Corona-Proximity-Tracing-App.

Planungssicherheit für Unternehmen

Die Corona-Krise ist noch längst nicht ausgestanden, obwohl sich die Lage aus epidemiologischer Sicht verbessert hat. Eine zweite Welle liegt nach wie vor im Bereich des Möglichen, weshalb der Bundesrat nun rasch ein Konzept dazu vorlegen muss, um den Unternehmen Planungssicherheit zu gewähren. Im wirtschaftlichen Bereich wird sich das wahre Ausmass der Krise erst in den nächsten Mo­naten aufzeigen. Nach wie vor ist die Gefahr von Konkursen, Überschuldungen und Investitionsstaus für KMU-Betriebe auf breiter Front nicht gebannt. Die Politik muss rasch handeln, wenn Arbeitsplätze und Wertschöpfung nicht über Gebühr gefährdet werden sollen.

Auch unsere Branche mit schmalen Margen wurde von der Krise getroffen. Einbussen aufgrund dünner Finanzreserven können zu Konkursen führen. Diese Probleme werden durch die Vergabe von Covid-Krediten nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Künftig können die Mittel für innovative Investitionen fehlen, welche die Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen oder im Zuge der Nachhaltigkeit (z. B. gemäss CO2-
Gesetz) nötig werden. Durch die Krise akzentuiert sich dieser Teufelskreis und bringt auf breiter Front auch Betriebe in Gefahr, die vor der Krise gesund waren.

Liquidität erhöhen können

Unternehmen soll die Bildung von Rückstellungen bei der Bundessteuer im Geschäftsjahr 2019 ermöglicht werden, um die Steuerbeiträge 2020 zu reduzieren und ihre Liquidität zu erhöhen. In diese richtige Richtung geht die Motion 20.3206 «Gewährung Rückstellungen für Corona-Ausfälle für alle Unternehmungen bei der Bundessteuer».

Verlängerung Kurzarbeitsentschädigung

Eine zeitliche Dringlichkeit besteht ebenfalls bei der Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung. Sehr enttäuschend ist deshalb das zögerliche Handeln von Regierung und Parlament bezüglich der Motion 20.3466 «Kurzarbeitsentschädigung weiterführen». Während der Bundesrat auf eine rechtzeitige Beantwortung verzichtete, weigerte sich der Nationalrat, den Vorstoss zu traktandieren. Nachdem ein Ordnungsantrag eine Behandlung richtigerweise gefordert hatte, nahm der Rat seinen Entscheid gleich wieder zurück. Aussergewöhnliche Lagen machen aus Sicht der Betroffenen jedoch aussergewöhnliche Massnahmen nötig. Unsere Branche hält daher an ihren Forderungen fest, die Rahmenfrist für den Bezug der Kurzarbeitsentschädigung von 12 auf 18 Monate zu verlängern und pauschale Kurzarbeitsentschädigungen für Personen mit arbeitgeberähnlichen Positionen bis Ende 2020 weiterzuführen.

Das Wichtigste für unsere Branche aus der Sommersession:

Steuern: Der Nationalrat will die AHV-Weisungen ans Steuerrecht anpassen. Er hat eine entsprechende Motion angenommen. Konkret soll die Wegleitung des Bundesamts für Sozialversicherungen über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen mit der entsprechenden Praxis im Recht der direkten Bundessteuer harmonisiert werden. In der Praxis führten die unterschiedlichen Praktiken zu Schwierigkeiten und Umtrieben. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat.

Nahrungsmittel: Der Nationalrat will den Bundesrat nicht damit beauftragen, die Wirksamkeit der Selbstregulierungsmassnahmen der Lebensmittel- und Getränkein­dustrie zu untersuchen. Er hat ein Postulat mit diesem Anliegen abgelehnt. Im Visier waren unter anderem die Nährwertkriterien von beworbenen Lebensmitteln oder die Überwachung der Medien. Es ist nicht die Aufgabe des Parlaments, diese zu drangsalieren oder das Volk zu erziehen.

Aktienrecht: Das modernisierte Aktienrecht, das unter anderem Geschlechterrichtwerte für Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte von börsenkotierten Unternehmen bringt, ist bereinigt. Einer der letzten strittigen Punkte waren Vorzugsrechte für bestimmte Aktionäre. Das modernisierte Aktienrecht lässt sie nun nicht zu.

Coronavirus I: Unternehmen, die einen Corona-Kredit beantragt haben, erhalten keine Möglichkeit für einen zweiten Kredit. Der Na­tionalrat hat eine Motion aus dem Ständerat abgelehnt. Sehr vorsichtige Unternehmen hätten nur einen Teil des Betrages beantragt, auf den sie Anrecht hätten. Der Ständerat hatte dem Anliegen zu Beginn der Sommersession zugestimmt. Mit dem Nein der grossen Kammer ist das Begehren vom Tisch.

Coronavirus II: Der Ständerat will die Spielregeln bei den Corona-
Krediten bis 500 000 Franken für Unternehmen nicht ändern. Er lehnte zwei Motionen ab, welche Betrieben fünf statt acht Jahre zur Rückzahlung der Kredite einräumen und den Zins von null Prozent über das erste Jahr hinaus verlängern wollten. Auch der Bundesrat war gegen die Vorstösse. Ziel der Kredite sei eine kurzfristige Li­quiditätszuführung gewesen, sagte Finanzminister Ueli Maurer. Eine Verlängerung der Frist würde dem ursprünglichen Zweck zuwiderlaufen. Bei den Zinsen müsse die Flexibilität für eine Anpassung an die Marktentwicklung vorhanden sein. Die Motionen sind mit dem Nein des Ständerates vom Tisch.

Bildung: Über 28 Milliarden Franken will der Ständerat in den nächsten vier Jahren für Bildung und Forschung bereitstellen, 188 Millionen Franken mehr als der Bundesrat. In den Grundzügen war er aber mit den Weichenstellungen der Landesregierung einverstanden. Die elf Finanzbeschlüsse in der BFI-Botschaft 2021 bis 2024 haben gemäss Antrag des Bundesrats einen Umfang von 27,9 Milliarden Franken. 3,86 Milliarden Franken fliessen in die Finanzierung der Berufsbildung. Der Ständerat erhöhte auf knapp 28,1 Milliarden Franken und hiess die einzelnen Beschlüsse alle oppositionslos gut. Nun geht die Vorlage an den Nationalrat.

Berufsbildung: Das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) soll sich als pädagogische Hochschule akkreditieren können. Im neuen Bundesgesetz (EHB-Gesetz) werden unter anderem die Aufgaben, Zusammenarbeit, Lehrdiplome und Titel, Organisation, Finanzierung und die Aufsicht durch den Bund geregelt. Als nächstes berät der Nationalrat die Vorlage. Am EHB lassen sich Berufsbildungsverantwortliche aus- und weiterbilden.

Mietzinserlass: Anfang Session haben sich die Räte auf einen Mietzinserlass geeinigt für Geschäfte, die während der Corona-
Krise schliessen mussten. Sie sollen für diese Zeit einen Mietzinserlass von 60 % erhalten Die Umsetzung dürfte aber noch rund ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Der Bundesrat habe die Arbeit schon in Angriff genommen, sagte Volkswirtschaftsminister Guy Parmelin in der Fragestunde des Nationalrats. Er sei sich der Dringlichkeit des Anliegens sehr wohl bewusst. Trotzdem dauert das Verfahren seine Zeit, insbesondere für die Vernehmlassung. Es soll laut Bundesrat Parmelin verkürzt werden, sodass der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zum teilweisen Mietzinserlass Mitte September vorlegen kann. Die Räte könnten die Vorlage dann im dringlichen Verfahren in der Wintersession behandeln und gegebenenfalls sofort in Kraft setzen.

Erwerbsausfall: Seit 1. Juni können direkt oder indirekt von der Corona-Krise betroffene Selbstständigerwerbende keine Erwerbs­ausfallentschädigung mehr beziehen. Der Bundesrat prüft nun Massnahmen für Härtefälle. Das Wirtschaftsdepartement WBF erarbeite derzeit einen Bericht, in welchem weitere Massnahmen für verschiedene Branchen geprüft würden. Der Bundesrat werde an einer seiner nächsten Sitzungen darüber befinden.

Umwelt: Das Fliegen und das Autofahren sollen teurer werden. Der Nationalrat hat eine Flugticket­abgabe sowie Massnahmen mit Auswirkung auf den Benzinpreis beschlossen. Der Rat blieb auf jenem Kurs, den der Ständerat und seine Kommission eingeschlagen hatten. Die Flugticketabgabe soll mindestens 30 und höchstens 120 Franken betragen. Der Benzin- und Dieselpreis dürfte wegen der verschärften Kompensationspflicht für die Importeure steigen – bis 2024 aber höchstens um 10 Rappen pro Liter und ab 2025 höchstens um 12 Rappen. Verschärft werden sollen auch die Vorgaben für die Neuwagenflotte. Weiter steigt der maximale Satz der CO2-Abgabe auf Brennstoffen. Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat. Die SVP, welche mittlerweile als einzige Fraktion gegen das CO2-Gesetz ist, will ein allfälliges Referendum unterstützen.

Arbeit: Der Streit um die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose ist beigelegt: Der Ständerat hat das letzte Detail zum neu geschaffenen Sozialwerk geklärt. Er hiess dazu einen Antrag der Einigungskonferenz gut. Nein-Stimmen kamen aus der SVP-, der CVP- und der FDP-Fraktion. Das Parlament versuchte bei der Schaffung einer Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose den Spagat: Es wollte die Altersarmut senken, ohne Fehlanreize im Arbeitsmarkt zu schaffen. Das nun fertig behandelte Bundesgesetz sieht vor, ausgesteuerte Arbeitslose ab 60 Jahren mit einer Rente unter die Arme zu greifen. Sie sollen möglichst nicht mehr in die Sozialhilfe abrutschen.

Mehrwertsteuer: Von der Corona-Krise besonders betroffene Unternehmen sollen weiterhin Mehrwertsteuern entrichten. Die kleine Kammer lehnt eine vorübergehende Befreiung oder Reduktion ab.

Umwelt: Der Bundesrat muss weitere Massnahmen gegen Littering ergreifen. Nach dem Nationalrat hat sich auch der Ständerat dafür ausgesprochen und einer Motion stillschweigend zugestimmt. Die Motion begründet damit, dass noch immer Abfälle in grossem Stil weggeworfen würden. Die vorberatende Kommission nannte als mögliche Massnahme etwa Sensibilisierungskampagnen für die Bevölkerung. Angesetzt werden solle aber auch bei der Produktion und Abgabe von Verpackungen.

Stop der Hochpreisinsel: Der Ständerat beschliesst, die Frist für die Behandlung der Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» um ein Jahr, d. h. bis zum 23. August 2021, zu verlängern.

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