Der frisch gebackene Brotsommelier Patrik Bohnenblust setzt in seiner kleinen Bäckerei Bread à porter in der Berner Altstadt das um, was er in seiner zehnmonatigen Ausbildung gelernt hat. Jüngstes Kind: der Münsterstollen – ein Christstollen aus Sauerteig, der im Keller des altehrwürdigen Münsters reift.

Patrik Bohnenblust ist der dritte Schweizer Brotsommelier, der in der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim die Ausbildung absolviert hat. Zehn Monate dauerte sie, mit vielen Stunden Recherchieren, Tüfteln und Projekt­arbeit-Verfassen. Das Thema: Der Berner Sauerteig. Das Dokument umfasst 60 Seiten. Es beinhaltet unter anderem die Geschichte des Sauerteigs in der Schweiz, alte, an die heutige Zeit angepasste Rezepte, Konsumentenbefragungen, Degustationen. Das Ziel von Patrik Bohnenblust: Die Schweizer Bäcker für den Sauerteig zu begeistern, denn «alle reden vom Sauerteig, nur die Bäcker nicht!».

Die Vorgeschichte

Vor drei Jahren begann die Idee, eine Ausbildung als Brotsommelier zu machen, zu gedeihen. Die Gastbäcker aus Deutschland, die bei Bread à porter zwischenzeitlich arbeiteten, brachten das Feuer endgültig zum Lodern. Sie führten Patrik Bohnenblust in die Kunst der Sauerteigproduktion ein.

«Alle reden vom Sauerteig, nur die Bäcker nicht!»

Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte er lange nicht mehr damit gearbeitet. Erst- und letztmals im Militär – wie viele andere Bäckerkollegen. Dort wurde er als «Sauerteigspezialist der Schweizer Armee» ausgebildet.

Der weit über die Region hinaus bekannte Kuhfladen war und ist der Renner in beiden Verkaufsläden in der Berner Innenstadt. Der Bäckermeister jedoch wollte eine Stufe weiter erklimmen. Er wollte die komplexe Herstellung eines Sauer­teigbrotes und die Pflege des Sauerteigs von der Pike auf erlernen. Denn: «Sauerteig ist Kult, ist Magie!»

Etwas Einzigartiges für Bern

Patrik Bohnenblust hatte zum Ziel, nach der Ausbildung mit mindestens zwei Sauerteigen zu arbeiten. Heute sind es mindestens drei: Weizen, Roggen und UrDinkel und je nach Bedarf gibt es auch einen neuen. Sein jüngstes Kind: der Münsterstollen. Dieses Jahr verzichtet der ideenreiche Berner Bäcker auf den normal-üblichen Christstollen. Auf die Idee haben ihn seine deutschen Studienkollegen gebracht. Denn einige von ihnen hätten in ihren Bäckereien über zehn verschiedene Sorten Stollen im Angebot – kein Wunder, denn der Christstollen hat in Deutschland eine grosse Tradition. (Abschnitt am Ende des Artikels). «Ich wollte in Bern auch etwas Einzigartiges schaffen», erklärt Patrik Bohnenblust gegenüber «panissimo».

Im Münsterkeller

Ein Christstollen aus Sauerteig – doch das genügt nicht für eine gute Story, um den Verkauf anzukurbeln. Der innovative Branchenmann liess den Stollen vier Wochen im kühlen und feuchten Keller des altehrwürdigen Berner Münsters, eines der Wahrzeigen der Hauptstadt, reifen.

«Brot ist kein normales Grundnahrungsmittel.»

Das Weizenmehl stammt aus dem Kanton Bern, ebenso die Butter, die Eier und die Milch. Der Name: Münsterstollen. Der Verkauf startete am ersten Advent. Übrigens werden die Stollen nummeriert. Es gibt also nur eine limited Edition …

Bohnenblust wagt sich aber auch an neue Kreationen, wie den Brot-O-Typ. Alle paar Wochen eine frische ausgefallene Brotkreation. Eine davon ist ein Sauerteigbrot mit gerösteten, gemahlenen Fenchelsamen, Orangenzesten und Sultaninen, was dem Brot ein spannendes Zusammenspiel von leichter Säure, grünen Aromen, etwas Bitterkeit und fruchtiger Süsse verleiht.

Brot aus sensorischer Sicht

Was hat Patrik Bohnenblust während seiner Ausbildung zum Brotsommelier gelernt? «Ich betrachte das Brot nun aus sensorischer Sicht, versuche, verschiedene Aromen hinein- und rauszuholen. Denn Brot ist kein normales Grundnahrungsmittel! Es ist mehr!» Hinter dem Brot stecken Geschichten, die erzählt werden wollen. Brot weckt Emotionen. Es tut sich ein weites Spektrum auf. «Wir können uns als Bäcker weiterentwickeln!» Bohnenblust nennt als Beispiel das Food Pairing – was kann man zusätzlich zum normalen Brot zum Fondue geniessen? Eine Variante ist das neue Zibele-Wein-Sauerteigbrot mit Baumnüssen von Bread à porter, das er speziell für die Zibelewuche in Bern kreiert hat.

Ebenfalls profitiert hat Bohnenblust bei der Kommunikation, dem Geschichtenerzählen. So ist Bread à porter in den sozialen Medien aktiver, berichtet live aus der Backstube, von Innovationen, macht «gluschtig». Die Medienschaffenden sind darauf aufmerksam geworden. Aber nicht nur sie, auch die Kundinnen und Kunden. Der Anteil des verkauften Sauer­teigbrotes betrage im Moment 20 %, freut sich Patrik Bohnenblust.

Blätterteig und Gipfeli aus Sauerteig

Wie geht es weiter bei Bread à porter? «Ich möchte Blätterteig mit Sauerteig herstellen und auch Gipfeli», verrät der Berner Unternehmer. Zudem will er verstärkt regionale Geschichten kreieren. Und weiter neue Produkte heraustüfteln. Sein Ziel: Dass dem Brot ein höherer Stellenwert beigemessen wird und den Menschen aufzeigen, dass das Brot nicht nur ein Grundnahrungs-, sondern auch ein Genussmittel ist.

«Genial, das hat einen Riesenauftrieb gegeben, trotz Corona!»

Brot – ein «ucooles» Produkt

Und sein Wunsch an die Bäckerinnen und Bäcker in der Schweiz? Patrik Bohnenblust überlegt kurz. Nein, er wolle nicht als Besserwisser in Erscheinung treten, hält er fest und meint dann nach einer weiteren Aufforderung vom «panissimo»: «Wir haben einen ucooles Produkt, das extrem viele Möglichkeiten bietet. Wir können seine Geschichte leben und übermitteln.» So wurde beispielsweise bei Bread à porter in diesem Frühling (Lockdown) das Ruchbrot Gassenbrot genannt. Dies und die Geschichte drumherum finden bei den Kundinnen und Kunden grossen Anklang, und sie seien auch bereit, einen höheren Preis dafür zu bezahlen, vorausgesetzt, die Qualität stimmt. Für Karin Leuenberger, die Ehefrau von Patrik Bohnenblust, sind diese Innovationen für die Verkaufsfront «genial, das hat einen Riesenauftrieb gegeben, trotz Corona».

Patrik Bohnenblust

1985 – 1988: Ausbildung zum Bäcker-Konditor bei Beck Glatz Confiseur, Fritz Glatz, in Bern
1988 – 1996: in verschiedenen Betrieben als Bäcker-Konditor im In- und Ausland tätig
1993: Berufsprüfung
1993 – 2000: Fachlehrer für Bäckerei-Konditorei im Nebenamt
1996 – 2001: Eigene kleine Dorfbäckerei in Riggisberg
2002 – 2005: Produktionsleiter in der Backwarenindustrie Berger Backwaren, Münsingen
2006 – 2012: Betriebsleiter bei Sutter Begg, Basel
Seit 2012: Inhaber von Bread à porter in Bern

Der Christstollen

Christstollen, Dresdnerstollen und Weihnachtsstollen in allen Variationen findet man in Deutschland zur Adventszeit in den Bäckereien und Konditoreien. Das Gebäck hat Tradition. Sie reicht die bis ins Mittelalter zurück. 1474 wurde der Stollen das erste Mal urkundlich erwähnt. Ursprünglich war es nur ein aus Mehl, Wasser und Hefe hergestelltes klösterliches Fastengebäck. Butter, Milch und exotische Zutaten waren in Zeiten der Vorherrschaft der katholischen Kirche nämlich nicht erlaubt. Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Anwendung von Butter für das Fastengebäck erlaubt. Damit waren der Dresdner Christstollen und seine zahllosen Variationen geboren. Jede Region und jede Stadt in Deutschland haben ihre eigene Rezeptur.

Der Name Stollen erinnert noch immer an seine mittelalterlichen Wurzeln, bedeutet doch Stollen nichts anderes als Pfosten, Stütze. Das widerspiegelt sich ebenfalls noch in seiner länglichen und flachgedrückten Form.

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