Eine äusserst schwierige wirtschaftliche Lage war Geburtshelferin eines Top-Hits – der kleinsten Nusstorte der Welt. Das war 2014. Seither ist viel passiert in der Conditoria in Sedrun: Neubau eines beeindruckenden Produktionsgebäudes, Start der Schokoladeherstellung, Lancierung unzähliger erfolgreicher Kreationen …

Reto Schmid und seine Lebenspartnerin Anna Curschellas vor der Halle mit der Schokoladenproduktion. In den Händen halten sie die Bündner Rötali-Truffes – der Rötali wird von Vater Marcel Schmid produziert. weiter Bilder in der Fotogalerie…»

Mit der Schliessung der Neat-Baustelle und der Frankenstärke war die Situation 2014 für den damals 40-jährigen Bündner Reto Schmid äusserts schwierig, doch er liess den Kopf nicht hängen. Im Gegenteil – die aussergewöhnliche Fortsetzung der Geschichte liest sich wie eine Hollywood-Story und ist vielen in der Branche bekannt:

Schmid tüftelt mit tatkräftiger Unterstützung seiner Familie an einem neuen, innovativen Produkt und schafft den Sprung in eine andere Sphäre: Die kleineste Bündner Nusstorte wird zu einem Riesenverkaufsschlager. Pro Stunde werden heute in der neuen Produktionshalle in Sedrun bis zu 17 000 Stück hergestellt, das Marketing läuft auf Hochtouren. Mittlerweile gibt es neun verschiedene Sorten dieser Törtchen. Der Vertrieb erfolgt in 13 Ländern.

«Ich sprudle nur so vor Ideen.»

Osterhasenproduktion

Es herrscht Hochbetrieb in der La Conditoria, trotz Corona-Pandemie, trotz Schliessung des Cafés. Es ist Dezember, das Advents- und Weihnachtsgeschäft hält die Verkaufsabteilung auf Trab, gleichzeitig ist die Osterhasenproduktion in vollem Gang. Und trotzdem findet der Inhaber und kreative Kopf des Unternehmens, Reto Schmid, die Zeit, um persönlich eine spannende Besichtigungstour durch das neue Produktionsgebäude mit Verkaufsladen für «panissimo» zu machen. Er erklärt die Maschinen, die Arbeitsprozesse, seine Überlegungen, es sprudelt nur so von Ideen und die Leidenschaft ist allüberall spürbar.

9-Millionen-Projekt

Vor rund vier Jahren machte sich Reto Schmid an die Planung einer neuen Produktionsstätte. Denn in der Bäckerei, die sein Vater damals 1978 für eine Million Franken gebaut hatte, war es viel zu eng geworden. Es galt zuerst ein passendes Grundstück zu finden. Der neunte Versuch war ein Glückstreffer, befindet sich dieses doch just gegenüber dem Stammhaus, Bäckerei-Café, an der Hauptstrasse in Sedrun.

«Die 9 Million Franken für Landkauf und Bau habe ich alle selbst aufgetrieben», betont Reto Schmid nicht ohne Stolz. Die Schweizer Berghilfe war vom Vorhaben nach eingehender Prüfung überzeugt und steuerte 750 000 CHF bei. Im September 2019 erfolgte der Baustart.

Während der ganzen Wachstums­phase sei es vorgekommen, dass er einen finanziellen Spagat habe machen müssen. «Doch ich habe nie aufgegeben, ich musste kämpfen!» Auch in der heutigen, für unsere gewerbliche Branche schwierigen Zeit sei viel möglich, könne viel Neues geschaffen werden, Nischen habe es eine Menge, unterstreicht Schmid. Wichtig sei, sich nicht entmutigen zu lassen und daran zu glauben, bereit zu sein, ein Opfer zu bringen, «so generieren wir unheimlich viel Potenzial!».

2000 Quadratmeter Nutzfläche

Am 1. Juli 2020 konnte mit der Produktion am neuen Standort gestartet werden und Anfang Dezember wurde der Genussladen eröffnet. Das zweieinhalbstöckige Gebäude aus Beton und Bündner Holz mit 2000 Quadratmetern Nutzfläche passt sich harmonisch ins Landschaftsbild ein. Ursprünglich war im Erdgeschoss eine Erlebniswelt vorgesehen – Vom Zuckerbäcker zur kleinsten Nusstorte –, doch wegen Corona änderte Reto Schmid die Pläne kurzerhand: An ihrer Stelle steht nun die Schokoladeproduktion, die durch eine Glaswand vom Genussladen aus beobachtet werden kann.

Marketing muss stimmen

Die «panissimo»-Besichtigungstour startet im Ideen-Kreationsraum, der eigentlich das Büro seiner Assistentin Natascha Curschellas, der Tochter seiner Lebenspartnerin Anna Curschellas, ist. Überall entdeckt man Prototypen, die entweder noch in der Entwicklung sind oder deren Einführung für 2021 geplant ist. «Ich sprudle nur so vor Ideen», erklärt Reto Schmid. Seine Leiterin Qualitätssicherung müsse ihn ab und zu bremsen, meint er mit einem Schmunzeln. Wird ein neues Produkt lanciert, so muss das Konzept von A bis Z stimmen. Denn der Konsument kaufe das erste Mal das Produkt wegen des Marketings, der Verpackung und erst zum zweiten Mal wegen der Qualität. Ein wichtiger Schwerpunkt im Marketing bildet die Regionalität, das Romanische, das La Conditoria in die Welt hinaus tragen will.

Von 3000 auf 17 000 Törtlis

In der Produktionshalle der weltberühmten Nusstörtlis im Erdgeschoss treffen wir auf Agostinho Oliveira. Er arbeitet seit rund zehn Jahren bei La Conditoria und ist für die gesamte Dauerbackwarenproduktion verantwortlich. «Neben meiner Familie ist er ein enorm wichtiger Mitarbeiter», hält Reto Schmid fest. Früher wurden 3000 Törtli pro Stunde hergestellt, heute sind es mehr als das Fünffache auf 880 Quadratmetern. Drei Mitarbeitende sind pro Schicht in der Törtliproduktion im Einsatz. Zu einem späteren Zeitpunkt ist der Einbau eines 35 Meter langen Tunnelbackofens geplant.

50 Tonnen Schokolade im ersten Jahr

Es geht weiter zur Schokoladenproduktion. Hier sind jeweils fünf bis sechs Personen in der Produktion sowie gleich viele nochmals in der Verpackung im Einsatz. Es ist dies das neuste Kind von Reto Schmid. Und auch dieses ist von Erfolg gekrönt. 50 Tonnen Schokolade kann er bereits im ersten Produktionsjahr verkaufen. Leiterin dieser Abteilung ist Alina Curschellas, die zweite Tochter seiner Lebenspartnerin Anna Curschellas.

«Der Coup mit den Minitörtchen hat mir all dies ermöglicht.»

Ein weiteres Highlight ist die Verpackungshalle. Die neue Maschinenanlage ist multifunktional und kann vielfältige individuelle Kundenwünsche erfüllen. Es ist ein wichtiges Anliegen von Reto Schmid, den Kundinnen und Kunden bei der Umsetzung ihrer Ideen behilflich zu sein, denn es zähle nicht nur das Produkt, sondern alles drumherum, inklusive der Verpackung. «Wenn ein Kunde die Verpackung öffnet, muss er vor Freude und Erstaunen ‹wow!› ausrufen!» Nicht alles kann allerdings im neuen Gebäude gelagert werden. Im ehemaligen Infozentrum der Neatbaustelle gibt es ein Aussenlager mit rund 150 Paletten Verpackungsmaterial.

Das Bijou ist der Genussladen, der mit viel Liebe von Reto Schmids Lebenspartnerin Anna Curschellas geführt wird. Auch hier wird grosser Wert auf die Dekoration und Verpackung gelegt, je nach Inhalt, Saison und Zielgruppe.

«Ich habe extrem viel richtig gemacht.»

Die ganze Familie wirkt mit

«Der Coup mit den Minitörtchen hat mir all dies ermöglicht», stellt Reto Schmid am Ende der Besichtigungstour nicht ohne Stolz fest. Dies alles sei ohne seine Familie nicht möglich gewesen, mit seiner Lebenspartnerin Anna Curschellas, die für den Betrieb sorge und ihm den Rücken freihalte, ihren beiden Töchter, die im Unternehmen mitarbeiten, sowie seinem Sohn und Anna Curschellas dritte Tochter, die während ihren Ferien ebenfalls mitwirken. Auch Reto Schmids Vater ist mit fast 75 Jahren immer noch an sechs Tagen pro Woche im Geschäft anwesend. Das wichtigste Kapital seien neben der eigenen Gesundheit allerdings die Mitarbeitenden, die regelmässig intern geschult werden.

Würde er rückblickend etwas anders machen? «Nein», lautet die spontane Antwort von Reto Schmid. Für diesen Erfolg seien eine tüchtige Portion Glück und viel Fleiss nötig gewesen. Trotz des Erfolgs habe er den Boden unter den Füssen nie verloren, denn «ich habe Menschen um mich herum, die darauf achten – ich habe extrem viel richtig gemacht!»

Reto Schmid & La Conditoria in Sedrun

2004 hat Vater Marcel Schmid seine Bäckerei mit Café mit 13 Mitarbeitenden in Sedrun seinem Sohn Reto übergeben. Er habe ihm damals gesagt, so Reto Schmid, dass La Conditoria in zehn Jahren ein anderes Unternehmen sein werde. Seine Vorstellungen hat er in die Tat umgesetzt. Heute vertreibt La Conditoria ihre Produkte weltweit und zählt rund 40 Mitarbeitende, die ganzjährig beschäftigt sind.

Der Bündner Branchenmann bezeichnet sich als Allrounder, doch er sei immer noch mit Leidenschaft ein Bäckersmann, betont er gegenüber «panissimo».

Nach einer Bäcker-Konditor-Lehre im familieneigenen Betrieb und einer Confiseurlehre in Zug machte Reto Schmid einen Umweg über das Radio Grischa und arbeitete anschliessend in der Bäckerei seines Vaters.

Schmid holte sein Rüstzeug als Unternehmer in verschiedenen Weiterbildungen, so u. a. in einer Handelsschule, bei Weiterbildungen im Ausland sowie im Schweizerischen Institut für Unternehmensschulung (SIU).

La Conditoria hat verschiedene Preise gewonnen, so unter anderem 2012 den Kantonspreis an der Swiss Bakery Trophy, 2015 die Bäckerkrone, 2017 den international renommierten Zacharias-Preis sowie 2018 den Prix Montange und für «Bio Capricorn Brot» und die «Bio Bündner Nusstorte» die Qualitätsprämierung von Bio Gourmet Knospe.

www.laconditoria.ch

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