An der Generalversammlung der Pistor Holding Mitte Mai gab es nur positive Nachrichten: gesunde Finanzen, stetiges Wachstum – und das Ziel, «der beste Zulieferer» zu werden, rückt näher. Die Genossenschafter/innen hätten nach wie vor einen «enorm hohen Stellenwert», versichert CEO Patrick Lobsiger in diesem Interview.

Pistor hat sich ein klares Ziel gesetzt: Vision: Die leistungsfähigste und fortschrittlichste Lieferkette zu bieten. Wie wollen Sie dieses erreichen?
Patrick Lobsiger: Indem wir für reibungslose Abläufe, intelligente Logistiklösungen und für eine zuverlässige Belieferung unserer Kundschaft sorgen. Oder einfach gesagt: Die Bäckereien-Confiserien kümmern sich um ihr Kerngeschäft, wir um ihre Versorgung. Pistor investiert hierfür laufend in topmoderne Anlagen, Maschinen, Gebäude oder Transportmittel wie Elektrolastwagen. Ausserdem treiben wir digitale Lösungen wie unseren Online-Marktplatz Mercanto voran.

Pistor will ganz nach oben – wie viel Ehrgeiz ist gesund und wo beginnt der gefährliche Höhenflug?
Ganz nach oben? Ja, aber nur, was die Qualität anbelangt. Wir wollen nicht der grösste Zulieferer sein, sondern der beste. Und genau das liegt im Interesse unserer Kundinnen und Kunden: Als Genossenschaft ist es unsere Aufgabe, ihren Geschäftsalltag so effizient wie möglich zu machen. Diese Aufgabe verfolgen all unsere Mitarbeitenden Tag für Tag und mit viel Herzblut. 

Was haben unsere Mitglieder vom Wachstum von Pistor?
Sie profitieren auf zwei Ebenen. Erstens haben unsere Genossenschafter eine breite Produkt- und Dienstleistungspalette zur Verfügung, welche wir dank unseres Wachstums laufend ausbauen. Und zweitens profitieren sie von finanziellen Vorzügen und Beratungsleistungen. Dazu gehören beispielsweise eine jährliche Rückvergütung, subventionierte Beratungen bei Proback oder ausserordentliche Sonderprämien. Solche und weitere Vorteile wollen wir auch in Zukunft ermöglichen, und hierfür muss Pistor wachsen und Zusatzerträge erwirtschaften.

Sie haben die ausserordentlichen Sonderprämien erwähnt. Wurde auch letztes Jahr eine ausgezahlt?
Ja. Pistor hat die Treue und Loyalität ihrer Genossenschafter im vergangenen Geschäftsjahr nicht nur mit einer Rückvergütung von 3% auf den Eigenlagerumsatz verdankt, sondern auch mit einer Sonderprämie in der Höhe von 1%. Diese Sonderprämie haben wir gesprochen, weil es an den Rohstoffmärkten turbulent zu und her ging: Zahlreiche Produkte stiegen preislich überdurchschnittlich, darunter Kakao und Kaffee. Bäckereien-Confiserien spüren dies unmittelbar, und wir wollen für etwas Entlastung sorgen.

Patrick Lobsiger, CEO Pistor Holding

«Die Rechtsform Genossenschaft erlaubt uns, langfristig zu denken und zu handeln.»

Welchen Stellenwert haben bei diesen hoch gesteckten Ziele die Genossenschafter/innen in fünf oder zehn Jahren noch?
Einen enorm hohen. Wir wissen nämlich genau, wer wir sind und welchen Auftrag wir als Unternehmensgruppe der Pistor Genossenschaft haben. Nämlich, durch unsere unternehmerische Tätigkeit Mehrwert für unsere Kundschaft zu schaffen. Das wird sich heute und in Zukunft nicht ändern. Die langfristige Sicherstellung des Bäckerei-Confiserie-Segments ist als Strategieziel in unserer Unternehmensstrategie verankert. Wir haben es bei allen wichtigen Geschäftsentscheiden im Hinterkopf.

Sie haben an der GV von einer optimalen Infrastrukturplanung gesprochen. Wie sieht diese mittelfristig aus?
Wir haben an unserem Hauptsitz in Rothenburg zwei grössere Landreserven erworben, die direkt an unser Areal angrenzen: eine im Norden, eine im Süden. Wir haben damit alle Möglichkeiten, sie gemäss unseren Bedürfnissen zu bebauen. Ausserdem machen wir auch in anderen Landesteilen vorwärts: So haben wir kürzlich unser neues Verteilzentrum in der Ostschweiz eröffnet, und jenes in Chavornay (VD) in der Westschweiz werden wir mit zusätzlichen Rampen erweitern. Zudem bauen wir den Anteil an elektrischen Lastwagen in unserer Flotte laufend aus.

Pistor-Verteilzentrum in der Ostschweiz

Die Infrastruktur ist nur eines der Strategieziele von Pistor. Welches sind die andern?
Wir setzen uns drei übergeordnete Ziele. Erstens wollen wir Standards in Lieferketten, digitaler Vernetzung und Nachhaltigkeit setzen. Zweitens wollen wir unserer Kundschaft Mehrwerte bieten, sei es durch optimierte Prozesse, sei es dadurch, dass sie bei Pistor alles aus einer Hand bekommen. Und drittens setzen wir im Sinne der Bäckereien-Confiserien voll auf unsere Rechtsform Genossenschaft. Das erlaubt uns, langfristig zu denken und zu handeln.

Strategieziel Nachhaltigkeit: Nur ein Marketingschritt? Ökonomische Überlegungen? Oder der Umweltschutzgedanke? Was überwiegt?
Für uns sind beide Aspekte gleichwertig. Einerseits ist Nachhaltigkeit heutzutage ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zum Beispiel werden immer mehr Aufträge auf Basis von Nachhaltigkeitskriterien vergeben. Ausserdem kann ökologisches Handeln Geld sparen: Beispielsweise bezieht Pistor Strom aus eigenen Solaranlagen, wir sparen Treibstoffkosten dank Elektrolastwagen oder umgehen Staukosten dank Bahntransporten. Andererseits bin ich überzeugt: Unternehmen sollten ihr Bestmögliches tun, um künftigen Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Als Genossenschaft denken und handeln wir langfristig, dazu gehört auch die Nachhaltigkeit.

Wir wollen den grössten B2B-Marktplatz aufbauen, hiess es an der GV. Wie wollen Sie dieses ambitionierte Ziel erreichen?
Gemäss einer Schätzung der Unternehmensberatung Carpathia ist Mercanto bereits heute der umsatzstärkste B2B-Onlineshop der Schweiz. Allerdings meinen wir mit dem «grössten Marktplatz» nicht den Umsatz, sondern die Breite an Anbietern, die wir für Mercanto gewinnen wollen. Wir gehen mögliche Anbieter aktiv an – und das lohnt sich. Inzwischen sind 17 Lieferanten auf Mercanto aktiv, über 30 weitere sind im Aufschalt-Prozess. Auch unsere Genossenschafterinnen und Genossenschafter haben die Möglichkeit, ihre Produkte über den Online-Marktplatz Mercanto zu vertreiben.

«Mercanto ist bereits heute der umsatzstärkste B2B-Onlineshop der Schweiz.»

Der erste genossenschaftliche Anbieter ist al Porto. Wer kann auf Mercanto präsent sein, und nach welchen Kriterien?
Bei Mercanto bringen wir Lieferanten und Kunden zusammen. Kein Lieferant ist zu klein oder zu gross – es zählen auch regionalen Sortimente und Spezialitäten. Je mehr Auswahl die Käufer auf Mercanto haben, desto grösser wird ihr Bestellanteil und desto effizienter ihr Einkauf.

Nicht alle Kund/innen kommen im digitalen Tempo mit – wie begegnet Pistor dieser Herausforderung?
Digitalisierung ist ein Trend, der sich weiter verstärken wird und der viele Vorteile bietet, auch für Bäckereien-Confiserien. Deshalb können wir nur empfehlen, diese Reise gemeinsam mit Pistor zu gehen. Selbstverständlich sind wir jederzeit da, um zu unterstützen. Sei es durch Proback-Beratungen, sei es durch Unterstützung des Mercanto-Teams oder durch unseren Verkaufsinnendienst. Wir helfen gerne weiter.

«Die langfristige Sicherstellung des Bäckerei-Confiserie-Segments ist als Strategieziel in unserer Unternehmensstrategie verankert.»

Die Zuverlässigkeit und Dienstleistungen von Pistor werden geschätzt. Hingegen hört man immer wieder, Pistor sei im Vergleich teuer. Das ist für Sie sicher nicht neu. Was entgegnen Sie jeweils?
Unser Ziel ist es, das Leben unserer Kundschaft einfacher zu machen. Wir haben konkurrenzfähige Preise, aber das ist nur eines von vielen Kriterien für einen Kauf bei Pistor: Bei uns findet man nämlich alles aus einer Hand – in einer Lieferung geliefert. Wir setzen auf hohe Zuverlässigkeit, fehlerfreie Lieferungen und einen überdurchschnittlichen Kundenservice. Unser Genossenschafter profitieren zudem von finanziellen Vorzügen wie den jährlichen Rückvergütungen, Finanzierungen oder subventionierten Beratungsleistungen von Proback. Zudem stellen wir sicher, dass wir alle Kundinnen und Kunden in allen Landesteilen der Schweiz beliefern. Auch das gehört zu unserem genossenschaftlichen Verständnis.

Pistor ist bei einem Arbeitgebenden-Ranking aufs Podest gekommen. Was zeichnet Pistor aus?
Wir freuen uns enorm über dieses Resultat. Es zeigt, dass sich die Mitarbeitenden bei Pistor wohl fühlen und dass wir als Arbeitgeber vieles richtig machen. Unsere Stärke ist sicherlich die persönliche, wertschätzende Unternehmenskultur. Wir arbeiten auf Augenhöhe miteinander. Und das spiegelt sich auch positiv nach aussen. 

Wenn Sie einen Zauberstab hätten, welche drei Dinge in unserer Branche würden Sie ändern wollen?
Ein Zauberstab? Das wäre toll! Als erstes würde ich sämtliche unnötige Bürokratie verschwinden lassen. Als zweites würde ich allen Konsumenten für die Handwerkskunst der Bäckereien-Confiserien begeistern und somit eine höhere Preisbereitschaft schaffen. Und als drittes würde ich den Fachkräftemangel wegzaubern.

Interview Claudia Vernocchi

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