Lobbying hat oft einen negativen Beiklang, ist aber für viele Branchen essenziell, um ihre Anliegen in der Politik zu platzieren. Auch der SBC setzt sich aktiv für die Interessen des Bäckerei-Confiserie-Gewerbes ein. Doch wo verläuft die Grenze zwischen legitimer Interessenvertretung und fragwürdiger Einflussnahme? Der Ambassadeur, Nationalrat Lorenz Hess, klärt auf.
Woodrow Wilson war der 28. US-Präsident und von 1913 bis 1921 im Amt. Von ihm wusste man, dass er abends oft in einem Hotel in Washington anzutreffen war. Das führte dazu, dass Personen und Organisationen im Eingangsbereich des Hotels – also in der Lobby – darauf warteten, ihn anzutreffen, um ihm ihre Anliegen zu unterbreiten. Diese Leute wurden schon bald als «Lobbyisten» bezeichnet.
Ein solches Szenario ist natürlich heute undenkbar, geblieben ist aber die Bezeichnung für jemanden, der Interessen vertritt. Dem Begriff haftet oft ein negativer Beigeschmack an. Um eine Branche oder den politischen Gegner anzuschwärzen, verwendet man die Bezeichnung «Auto-Lobby», «Pharma-Lobby» oder «Umwelt-Lobby».
Lobbying als zentrale Aufgabe von Verbänden
Das Lobbying – oder etwas weniger reisserisch ausgedrückt: die Interessenvertretung – wird meistens durch die Branchenverbände ausgeübt. Das ist eine ihrer Hauptaufgaben, so auch im Fall des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes SBC. Die Instrumente reichen von Medienarbeit, Verlautbarungen, Abstimmungsempfehlungen bis zu Argumentarien und persönlichen Gesprächen. Die Zielgruppen bilden vor allem die Parlamentsmitglieder, aber auch die Bundesverwaltung, die ganz am Anfang der Gesetzgebung steht.
Um den direkten Kontakt zu Parlamentarier/innen pflegen zu können, ist es von Vorteil, wenn ein Verbandsvertreter eine Zutrittsberechtigung zum Parlamentsgebäude während der Sessionen hat. Jedes Parlamentsmitglied kann zwei solche Badges vergeben, wenn es will. Im Fall des SBC ist es seit vielen Jahren Urs Wellauer-Boschung, der über einen meiner Badges verfügt.
Lobbyist wider Willen?
Als Folge davon werde ich ab und an als «Bäcker-Lobbyist» bezeichnet. Ganz abgesehen davon, dass ich für die Vergabe diese Zutritts-Badges selbstverständlich keine Entschädigung erhalte, kann ich gut mit dieser Bezeichnung leben! Ich sehe nichts Anrüchiges darin, wenn eine der wichtigsten Branchen des täglichen Bedarfs ihre Interessen bestmöglich vertritt. Wichtige Themen wie Stromversorgung, Lebensmittelgesetzgebung etc. gibt es genügend.
« Wenn die Politik nur noch im Elfenbeinturm am Bundesplatz gemacht wird, ohne Bezug zur «Front», kommt es nicht gut. »
Lorenz Hess
Wenn die Politik nur noch im Elfenbeinturm am Bundesplatz gemacht wird, ohne Bezug zur «Front», kommt es nicht gut. Deshalb haben wir auch die Parlamentarische Gruppe Brot und Confiserie gegründet – notabene eine von unzähligen Interessengruppen im Parlament. Allen Vorurteilen zum Trotz ist die Idee recht simpel: Es geht darum, dass sich Vertreter/innen der Politik mit der Branche treffen, um die Sicht der Betroffenen bei politischen Vorlagen anzuhören und sich ein Bild von der Welt in der Praxis machen können. Meiner Ansicht nach ist das sogar die Pflicht der Volksvertreter/innen, auch wenn das einige anders sehen.
Politisches Engagement beginnt lokal
Das Engagement auf Bundesebene ist wichtig und trägt manchmal auch Früchte. Nicht vergessen dürfen wir aber, dass die Politik «im Kleinen» beginnt, auf kommunaler und kantonaler Ebene und da sind dann nicht die «Lobbyisten» gefragt, sondern die Mitglieder des SBC in den Dörfern und Städten.
Ich bin der Erste, der versteht, dass es kaum zumutbar ist, sich neben dem Betrieb auch noch in der Politik zu engagieren. Und trotzdem kommen wir nicht darum herum. Es muss ja nicht gerade ein aufwendiges Exekutiv- oder Parlamentsmandat sein. Auch in Kommissionen oder zum Beispiel in Gewerbevereinen kann man etwas bewirken. Also gehen wir es an – möglichst auf allen Ebenen!
Lorenz Hess
Ambassadeur du pain et du chocolat 2024/25,
Berner Mitte-Nationalrat
Der Berner Mitte-Nationalrat Lorenz Hess ist Präsident der Parlamentariergruppe Brot und Confiserie. Er ist am SBC-Kongress zum Ambassadeur du pain et du chocolat 2024 gewählt worden. Der Branchenbotschafter war lange Jahre Gemeindepräsident der Berner Vorortsgemeinde Stettlen.